Eisiger Rekord: Im antarktischen Schelfeis können sich Risse schneller ausbreiten als gedacht, wie Messdaten vom Pine-Island-Gletscher enthüllen. In seiner gut 300 Meter dicken Eiszunge bildete sich innerhalb weniger Minuten ein mehr als zehn Kilometer langer Riss – dies entspricht einem Tempo von 35 Metern pro Sekunde oder 126 Stundenkilometern. Ohne die bremsende Wirkung des Meerwassers wäre das Tempo der Rissausbreitung sogar noch höher, wie Forschende ermittelt haben.
Die schwimmenden Schelfeise der Antarktis sind wichtige Puffer zwischen Meer und Gletschern – und Geburtssort einiger der größten Eisberge der Welt. Denn immer wieder entstehen Risse in den hunderte Meter dicken Eisflächen, oft begünstigt durch riesige Kavernen an der Eisunterseite. Als Folge kommt es zu Abbrüchen großer Tafeleisberge, wie zuletzt 2023 am Brunt-Schelfeis. Auch die Zunge des Pine-Island-Gletschers, eines der größten Eisströme der Antarktis, bildet alle zwei bis sechs Jahre einen eisbergbildenden Riss.

Schelfeis-Risse im Visier
Doch wie genau sich die Schelfeis-Risse bilden und welche physikalischen Mechanismen zu ihrer Ausbreitung beitragen, ist bisher erst in Teilen bekannt. „Angesichts der enormen Ausmaße der Tafeleisberge ist es jedoch wichtig, die Rissausbreitung besser zu verstehen – auch, um mögliche Anomalien durch das sich erwärmende Klima erkennen zu können“, erklären Stephanie Olinger von der Harvard University in Cambridge und ihre Kollegen.
Um mehr Klarheit zu schaffen, nahmen die Forschenden die Rissbildung im Schelfeis des Pine-Island-Gletschers näher ins Visier. Dafür analysierten sie Daten mehrerer hochsensibler Seismometer, die auf dem Schelfeis deponiert worden waren. Zusätzlich werteten sie Daten des TerraSAR-Radarsatelliten aus, der die Rissbildung in den Eisflächen von oben verfolgt hat. Als konkreten Fall wählte das Team einen Riss, der sich am 9. Mai 2012 ungewöhnlich schnell ausgebreitet hatte.