Unter der Westantarktis grummelt es: Forscher haben dort hunderte schwacher Erdbeben unter dem Gletschereis registriert – Schwarmbeben, wie sie typischerweise an aktiven Vulkanen auftreten. Bisher jedoch galt diese Region als vulkanisch inaktiv. Die Beben und eine im Gletscher entdeckte Aschenwolke widerlegen dies nun. Sollte sich eine Eruption unter dem Gletscher ereignen, könnte dies Millionen Kubikmeter Schmelzwasser produzieren – und für das Eis wie ein Schmiermittel wirken, berichten US-Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Der Mount Erebus gilt als südlichster aktiver Vulkan der Erde. In seinem Krater, der über die Eismassen des Rossmeeres hinausragt, blubbert beständig ein Lavasee. Der Feuerberg liegt über einem sogenannten Hotspot, einer Zone, in der sich ein Aufstrom heißer Magma aus dem Erdmantel durch die darüber liegende Erdkruste brennt. Andere Regionen der Antarktis, darunter das östlich des Rossmeres liegende Mary Byrd Land, galten dagegen als seit langem vulkanisch inaktiv.
Doch noch aktiv
Bekannt war zwar, dass es im Mary Byrd Land in vergangenen Jahrmillionen durchaus Eruptionen gab: Sie verschoben sich damals entlang der Gebirgskette des Executive Committee Range nach Süden – um rund einen Kilometer in hunderttausend Jahren. Einige erloschene Feuerberge entlang dieser Bergkette zeugen davon. Es gab es aber keine Anzeichen dafür, dass diese Vulkanregion noch aktiv sind – bis jetzt. Denn Forscher um Amanda Lough von der Washington University haben genau dort nun verdächtige Anzeichen für aktive Magmabewegungen im Untergrund registriert.
Ihre seismischen Stationen zeichneten zwischen Januar 2010 und Dezember 2011 zwei Serien hunderter schwacher, niederfrequenter Erschütterungen auf. Ihr Ursprung lag in bis zu 40 Kilometern Tiefe lag und damit nahe der Grenze zwischen Erdmantel und Kruste. „Diese Tiefe spricht gegen eine tektonische Ursache“, erklärt Lough. Stattdessen gleiche das Muster der Bebenwellen dem von Erdstößen, die in Gegenden mit aktiven Vulkanen auftreten und dort als Vorboten eines Ausbruchs gelten – etwa auf Hawaii.
Offensichtlich strömt in dieser Gegend der Antarktis gerade Magma durch vulkanische Systeme im Untergrund. „Die Bewegung der Magma und anderer Flüssigkeiten führt zu druckbedingten Vibrationen und Rissen in den vulkanischen und hydrothermalen Systemen im Untergrund“, so Lough. Der Ursprung der Schwarmbeben liege zudem genau dort, wo der nächste Ausbruch zu erwarten wäre, wenn man die Abfolge der vergangenen Verschiebungen extrapoliert.
Aschenwolke im Eis
Und noch etwas deutet darauf hin, dass die vulkanische Aktivität in diesen Gebiet länger anhält als bisher gedacht: Die Forscher entdeckten eine riesige, elliptische Aschewolke in dem direkt über der Schwarmbeben-Region liegenden Gletscher. Sie ist zwischen 400 und 1.400 Meter tief im Eis begraben und stammt von einem Ausbruch, der erst vor etwa 8.000 Jahren stattfand. Ursprung ist vermutlich ein nahegelegener Feuerberg, der Mount Waesche.
Die Forscher entdeckten zudem eine Erhebung von rund 1.000 Metern Höhe unter dem Eis – ein kleiner Berg, der vermutlich vulkanischen Ursprungs ist. „Zusammen liefern diese Beobachtungen starke Belege für eine anhaltende magmatische Aktivität“, konstatieren Lough und ihre Kollegen. „Das hätten wir nicht erwartet.“
Bei einem Ausbruch droht eine Schmelzwasserflut
Die Wissenschaftler haben auch untersucht, welche Folgen ein Ausbruch unter dem Eis hätte. Wie sie feststellten, wäre an der Oberfläche davon wahrscheinlich kaum etwas zu sehen. Denn die über dem Vulkanschlot liegende Eisschicht ist hier bis zu 1.100 Meter dick. Nur ein außergewöhnlich heftiger Vulkanausbruch könnte ein Loch in diesen Panzer sprengen. Gravierende Folgen könnte eine Eruption aber dennoch haben, wie Lough und ihre Kollegen vorrechnen: Bereits ein kleinerer Ausbruch würde etwa 35 Millionen Kubikmeter Schmelzwasser erzeugen.
Eine ungewöhnlich große Eruption dagegen könnte innerhalb weniger Tage so viel Schmelzwasser erzeugen, wie normalerweise in einem Jahr entsteht. Diese Wassermassen aber wirken an der Gletschersohle wie ein Gleitmittel und könnten daher dafür sorgen, dass die Eismassen zügiger gen Meer rutschen. Das wiederum, so befürchten die Forscher, könnte dazu führen, dass die Eisschilde der Westantarktis noch schneller schrumpfen, als sie es ohnehin schon tun. (Nature Geoscience, 2013; doi: 10.1038/ngeo1992)
(NAture / University of Washington, 18.11.2013 – NPO)