Drastischer Eisschwund: Noch nie hatte das Meereis der Antarktis in einem Südwinter eine so geringe Ausdehnung wie in diesem Jahr. Am 7. September lag seine Fläche bei nur rund 17,16 Millionen Quadratkilometern – das ist das niedrigste winterliche Meereismaximum seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen, wie Forscher berichten. Die genauen Ursachen sind noch unklar, allerdings waren sowohl die Luft als auch das Südpolarmeer in den letzten Monaten mehrere Grad wärmer als normal.
Das Meereis der Polargebiete spielt eine wichtige Rolle für das Erdklima und trägt durch seine Albedo zur Kühlung des Planeten bei. Umgekehrt wirkt sich jedoch der Klimawandel immer stärker auf diese Eisflächen aus. In der Arktis taut das Meereis im Sommer immer stärker, eisfreie Flächen mehren sich und selbst das Dauereis wird dünner. Die Antarktis schien lange von diesem Trend verschont, das Meereis blieb weitgehend stabil. Doch im Februar 2022 schrumpfte die antarktische Meereisfläche erstmals auf ein Südsommer-Rekordtief, im Februar 2023 gab es erneut einen Rekord.
So wenig Meereis wurde im Antarktis-Winter noch nie gemessen
Jetzt folgt der nächste Tiefstand: Obwohl jetzt in der Antarktis tiefster Winter herrscht und das Meereis seine jährliche Maximal-Ausdehnung hat, lag die Meereisfläche am 7. September 2023 nur bei 17,16 Millionen Quadratkilometern. Diese Eisbedeckung ist in der Antarktis die niedrigste jemals im Winter beobachtete, wie das Meereisportal berichtet. Den bisherigen Rekord aus dem Jahr 1986 unterschreitet die Meereis-Ausdehnung um die zweieinhalbfache Fläche Deutschlands.
Besonders betroffen sind das Weddellmeer, das Rossmeer und die vor der Ostantarktis liegende Kosmonautensee. Dort haben sich die Eisflächen seit dem sommerlichen Rekordschwund nicht wieder erholt und lagen schon in den Vormonaten konstant unter den zuvor gemessenen Tiefstständen. Auch der winterliche Maximalwert liegt weit unter den Vorjahreswerten, wie Christian Haas vom Alfred-Wegner-Institut (AWI) und seine Kollegen berichten. Nur in der Amundsensee hat sich das Meereis über die Eiskante des Vorjahres hinweg ausgebreitet.
Meer und Luft wärmer als normal
Warum das antarktische Meereis in diesem Südwinter so wenig zugelegt hat, ist bisher noch unklar. Denn anders als in der Arktis hängt die Meereisentwicklung rund um den Südpol weniger klar von der Luft- und Meerestemperatur ab. Stattdessen spielen weitere Einflussfaktoren wie Strömungen, Winde oder die Luftfeuchte und die Bewölkung eine Rolle. „Es ist bisher unbekannt, wie sich diese Prozesse im Einzelnen verändert haben und wie stark sie momentan zum langsamen Eiswachstum beitragen“, erläutert Haas.
Dennoch gab es in diesem Südwinter einige auffallende Anomalien: Die Luft über dem Weddellmeer war im August 2023 bis zu viereinhalb Grad wärmer als normal, im Rossmeer waren es sogar sechs Grad über dem langjährigen Mittel von 1971 bis 2000, wie Messungen ergeben haben. Auch die Monate davor waren für antarktische Verhältnisse deutlich zu warm. Ebenfalls anomal hohe Temperaturen herrschten im Südpolarmeer – das Meerwasser war in den Eisrandzonen bis zu drei Grad wärmer als normal.
Diese Wärmeanomalien in Kombination mit einer veränderten Wind- und Wasserzirkulation im Umfeld der Antarktis könnten nach Ansicht der Wissenschaftler der Grund sein, warum das antarktische Meereis in diesem Südwinter weniger gewachsen ist als sonst und das sommerliche Minimum nicht wettmachen konnte.
Schlechte Zeiten für Krill und Pinguine
Für die Lebenswelt der Antarktis könnte das Rekordminimum des winterlichen Meereises schwerwiegende Folgen haben. Denn wenn die Eisflächen jetzt im Winter klein und dünn bleiben, könnte das Meereis auch im Südsommer wieder besonders schnell und stark abtauen. Dies hätte Konsequenzen für Wasserorganismen wie die Krillkrebse, die Fischen, Robben und Walen als Grundnahrung dienen und die das Meereis und die dort wachsenden Eisalgen als Kinderstube benötigen.
Ebenfalls schwer getroffen sind schon jetzt die Pinguine der Antarktis. Sie sind für die Aufzucht ihrer Jungen auf intaktes Meereis angewiesen. Doch der drastische Meereisrückgang im Jahr 2022 führte dazu, dass die Kaiserpinguine in der westantarktischen Bellingshausensee einen fast kompletten Brutausfall erlitten: Ein fast kompletter Jahrgang an Jungpinguinen ist ausgeblieben. Dies ist der erste dokumentierte Fall eines weitverbreiteten Brutausfalls bei Kaiserpinguinen, der eindeutig mit einem großflächigen Rückgang der Meereisausdehnung in Verbindung steht, wie Biologen kürzlich berichteten.
Konsequenzen auch für Gletscher und Ozeane
Folgen könnte das antarktische Meereis-Minimum jedoch auch für das Klima der Antarktis und den Rest der dortigen Eisflächen haben. Denn wenn nur wenig Meereis vorhanden ist, gibt es viel dunkles, offenes Wasser mit geringer Albedo. Als Folge wird weniger Sonnenstrahlung zurück ins Weltall reflektiert und mehr Wärme vom Südpolarmeer aufgenommen, wie Haas erklärt. Dies könnte den Eisrückgang beschleunigen und die Eisneubildung verzögern – ein Teufelskreis. Auch für die globale Tiefenzirkulation der Weltozeane hätte dies Folgen.
Quelle: Meereisportal