Fatale Trübung: Forscher haben eine weitere Ursache für die große Pestepidemie der Spätantike entdeckt. Zwei große Vulkanausbrüche sorgten nicht nur für ungewöhnliche Kälte – ihre Dunstschleier lösten auch einen Lichtmangel bei Pflanzen und vielleicht sogar Menschen aus. Denn Baumringdaten belegen, dass ab dem Jahr 536 die Sonneneinstrahlung zwei Jahrzehnte lang messbar absank – das könnte Missernten, Hunger und die Anfälligkeit der Menschen für den Pesterreger erklären, so die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Die Justinianische Pest gilt als die größte antike Epidemie Europas: Ab 541 nach Christus starben daran Millionen von Menschen im Oströmischen Reich, in Germanien und Gallien. Der Erreger der Seuche war ein Vorfahre jener Pestbakterien, die im Mittelalter den Schwarzen Tod nach Europa brachten.
Kälte, Missernten und zwei Eruptionen
Doch was löste die fatale antike Pestepidemie aus? Historische Quellen berichten, dass damals eine Periode ungewöhnlich kalten und trüben Wetters herrschte. „In diesen Schriften wird die Sonne als bläulich und schwach beschrieben, der Frühling hatte keine Milde und der Sommer war ohne Hitze“, berichten Samuli Helama vom finnischen Institut für Naturressourcen und seine Kollegen. Auch von einer rätselhaften Dunstwolke ist die Rede und von Missernten und Hunger.
Eine erste Erklärung für diese Phänomene fanden Wissenschaftler 2015 in Klimadaten aus Eisbohrkernen. Deren Auswertung bestätigte, dass es 536 und 540/41 abrupte Kälteeinbrüche auf der Nordhalbkugel gab. Verursacht wurde dies höchstwahrscheinlich von zwei heftigen Vulkanausbrüchen – auch dafür gab es Indizien in den Eisbohrkernen.
Baumringe verraten Eintrübung
Allerdings: Der antike Kälteeinbruch konnte zwar die für Pestausbreitung günstigen Klimabedingungen erklären und auch Missernten in den eher nördlichen Teilen Europas. Doch gerade im Mittelmeerraum, wo die Pest damals am stärksten wütete, spielt die Temperatur für das Pflanzenwachstum nur eine untergeordnete Rolle, wie Helama und seine Kollegen erklären. Was aber war es dann?
Um das zu klären, haben die Forscher Jahresringe von Bäumen aus der Zeit vor, während und nach der antiken Pestperiode untersucht. Diese Wachstumsringe spiegeln nicht nur das Klima der damaligen Zeit wieder, das Verhältnis ihrer Kohlenstoff-Isotope verrät auch, wie viel Sonnenlicht die Bäume damals erhielten und wie effektiv ihre Fotosynthese war. Das ermöglichte es den Wissenschaftlern, ein genaueres Bild der damaligen Zustände und der möglichen Vulkanfolgen zu erhalten.
Zwei Jahrzehnte Lichtmangel
Das Ergebnis: Die Vulkanausbrüche in den Jahren 536 als auch 540/41 kühlten nicht nur durch ihre Aerosole das Klima ab. Der Dunst war gleichzeitig so dicht, dass die Pflanzen sogar unter Lichtmangel litten. Die Isotopenwerte der Baumringe aus jener Zeit belegen Einbußen in der Fotosynthese und eine Reduktion der Sonneneinstrahlung um zuerst 41 Watt pro Quadratmeter und dann noch einmal 54 bis 62 Watt pro Quadratmeter, wie die Forscher berichten.
„Sowohl die Stärke als auch die Dauer dieser Ereignisse übertreffen die Folgen starker Vulkanausbrüche der Neuzeit erheblich“, so Helama und seine Kollegen. Den Baumringdaten nach könnte diese Phase abgedimmten Sonnenlichts rund 20 Jahre angehalten haben. Das könnte die damaligen Missernten und Hungerperioden auch im Mittelmeerraum erklären.
Fataler Doppelschlag
Für die Menschen in der Zeit vor und während des Pestausbruchs hatte die kombinierten Folgen der Vulkanausbrüche gravierende Auswirkungen. Im Norden Europas sorgten Kälte und Nässe für Ernteausfälle und gehäufte Krankheiten, im Mittelmeerraum litten die Bauern unter Missernten wegen des reduzierten Pflanzenwachstums.
Und noch etwas könnte die Pest gefördert haben: ein durch den Lichtmangel verursachter Vitamin-D-Mangel. „Die Produktion von Vitamin D in der menschlichen Haut beginnt erst ab einem bestimmten Schwellenwert der Sonneneinstrahlung“, erklären Helama und seine Kollegen. Der dichte Schleier aus vulkanischen Aerosolen, der sich ab 536 über Europa legte, könnte daher ausgereicht haben, um diese Vitaminproduktion stark einzuschränken.
„Zusätzlich zur Unterernährung litten dadurch viele Menschen möglicherweise an einer Schwächung ihres Immunsystems, ausgelöst durch Vitamin-D-Mangel“, vermuten die Forscher. Diese Kombination aus Hunger und Anfälligkeit könnte es dem Pesterreger besonders leicht gemacht haben, schnell viele Menschen zu infizieren. (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-19760-w
(University of Helsinki, 16.04.2018 – NPO)