Ein bisher unbekanntes Königsgrab der Maya haben Archäologen in der Maya-Stadt El Zotz im Dschungel Guatemalas entdeckt. Es enthielt ungewöhnlich gut erhaltene, 1.600 Jahre alte Schnitzereien, Keramiken und Stoffe sowie die Knochen von einem Erwachsenen und sechs möglicherweise geopferten Kindern. Das prächtig ausgestattete Grab gehört wahrscheinlich einem Herrscher, möglicherweise dem Gründer einer Dynastie der präklassischen Maya.
Die Ruinenstadt El Zotz liegt rund 20 Kilometer westlich der Maya-Hochburg Tikal. Hier finden seit den 1980er Jahren Ausgrabungen präklassischer Maya-Bauwerke statt, darunter des pyramidenförmigen Tempels „El Diablo“. Seit 2008 graben hier auch Maya-Forscher der amerikanischen Brown Universität in einer Kooperation mit der guatemaltekischen Denkmalbehörde. Als sie im Mai 2010 einen kleinen Tempel näher untersuchten, der direkt vor einem größeren, dem Sonnengott gewidmeten Gebäude steht, entdeckten sie eine Sensation:
Grabkammer unter kleinem Tempel verborgen
„Als wir in die kleine Kammer des Tempels vordrangen, trafen wir fast unmittelbar auf eine Reihe von ‚Caches‘ – blutroten Schalen, die menschliche Finger und Zähne enthielten, alle in einer organischen Substanz eingebettet“, erzählt Stephen Houston, Grabungsleiter der Brown Universität. „Wir gruben uns dann nach und nach durch Schichten von flachen Steinen, die sich mit Schlamm abwechselten. Sie hielten vermutlich das Grab bis heute so intakt und luftdicht verschlossen.“
Am 29. Mai 2010 kamen die Archäologen schließlich zu einer letzten Erdschicht, die durch einen flachen Stein abgeschlossen wurde. „Wir nutzten einen kleinen Stock als Sonde für Hohlräume. Und bei diesem Versuch ging der Stock immer tiefer hinein. Nachdem wir einen Teil des Steins entfernt hatten, sah ich nichts als ein kleines Loch, das in die Dunkelheit führte“, so Houston. Die Forscher senkten eine Glühbirne in das Loch und vor ihren erstaunten Augen erschien eine wahre Explosion von roten, grünen und gelben Farben.
Hinweis auf Kinderopfer?
Sie waren auf ein Königsgrab mit nie gesehenen Schätzen aus organischem Material gestoßen: Holzstücken, Stoffen, dünnen Schichten von bemaltem Putz, Schnüren. „Als wir das Grab öffneten, steckte ich meinen Kopf hinein und roch zu meinem Erstaunen, noch immer den Geruch von Verwesung“, erzählt Houston. „Die Kammer war so gut versiegelt, dass 1.600 Jahre lang keine Luft und kaum Wasser eingedrungen war.“ Das Grab ist 1,80 Meter hoch, rund 3,60 Meter lang und 1,20 Meter breit. Neben den Kunst- und Kultgegenständen entdeckten die Forscher darin Knochen eines Erwachsenen und von sechs Kindern. Alle datierten aus der Zeit von 350 bis 400 vor Christus.
Dynastie-Gründer aus Schlüsselepoche der Maya
Nach ersten Beobachtungen scheint das Grab einem männlichen Erwachsenen, möglicherweise einem bisher nur aus Hieroglyphen bekannten Mayakönig zu gehören. „Diese Gegenstände sind wahre Kunstschätze, außerordentlich gut erhalten aus einer Schlüsselepoche der Maya-Geschichte“, so Houston. „Aus der Position des Grabs, der Zeit, der Reichhaltigkeit und der Konstruktion der Abdeckungen schließen wir, dass es sich hier sehr wahrscheinlich um den Begründer einer Dynastie gehandelt haben muss.“
Nach Angaben von Houston zeigt das Grab, dass der Herrscher als ritueller Tänzer bestattet wurde. Er trägt alle Attribute seiner Rolle, darunter viele kleine Glocken aus Muschelschalen und Klappern aus Hundezähnen. „Es kann auch sein, dass sein Körper, der auf einem leider eingestürzten Podest lagerte, ursprünglich mit einem prachtvollen Kopfputz mit Glyphen darauf, geschmückt worden war“, so Houston. „In einer Hand trug er ein möglicherweise zum Opfern eingesetztes Messer.“ Nach Angaben des Archäologen Zachary Hruby, war das Steinmesser besonders für das Schneiden harten Materials wie beispielsweise Knochen ausgelegt. An der Schneide fanden sich rötliche Reste organischen Materials.
Noch jedoch haben die Analysen und Auswertungen erst begonnen. „Wir haben noch viel zu tun. Wir sind erst vor ein paar Wochen von der Grabung zurückgekehrt. Die Informationsdichte königlicher Gräber ist enorm hoch, so dass es normalerweise Jahre der Auswertung braucht, um alle Zusammenhänge zu erfassen“, erklärt Houston.
(Brown University, 20.07.2010 – NPO)