Paläontologie

Archaeopteryx-Feder ist gar keine

Vermeintliche Feder des berühmten Urvogels könnte stattdessen von einem gefiederten Dinosaurier stammen

Archaeopteryx-Feder
Diese 1861 im Solnhofener Plattenkalk entdeckte Feder wurde zum namengebenden Fossil des Archaeopteryx – doch sie stammt wahrscheinlich gar nicht von diesem Urvogel. © Kaye et al. /Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Sturz einer Fossil-Ikone: Vor knapp 160 Jahren wurde in Solnhofen die erste Feder eines Archaeopteryx entdeckt. Doch ausgerechnet dieses berühmte Fossil gerät nun ins Zwielicht – denn es stammt wahrscheinlich gar nicht vom Urvogel Archaeopteryx, wie neue Analysen enthüllen. Stattdessen könnte ein anderer Urvogel oder sogar ein gefiederter Dinosaurier diese Feder fallengelassen haben. Das namensgebende Fossil der gesamten Archaeopteryx-Sippe ist damit als Irrtum entlarvt.

Der Fund war eine echte Sensation: Im Jahr 1861 stießen Arbeiter im Kalksteinbruch von Solnhofen auf eine Kalkplatte mit dem versteinerten Abdruck einer Feder. Nähere Untersuchungen enthüllten, dass dieses Fossil schon mehr als 150 Millionen Jahre alt war – es konnte daher nicht von einem normalen Vogel stammen. Paläontologen tauften den damals noch unbekannten Träger dieser Feder „Archaeopteryx lithografica“. Als wenig später auch die ersten versteinerten Skelette dieses Urvogels auftauchten, wurden der Archaeopteryx und seine Fossilien weltberühmt.

Rätsel um den Federkiel

Doch ausgerechnet die erste Archaeopteryx-Feder gerät nun ins Zwielicht. Denn diese Ikone der Paläontologie ist offenbar nicht das, wofür sie knapp 160 Jahre lang gehalten wurde. Entdeckt haben dies Thomas Kaye von der Foundation for Scientific Advancement in den USA und seine Kollegen eher durch Zufall. Denn eigentlich wollten sie nur versuchen, das Rätsel des fehlenden Federkiels bei diesem Fossil zu lösen.

Der Grund: In der ursprünglichen Beschreibung des Federfossils wird ein auffallend langer Kiel erwähnt. Doch der sogenannte Calamus, der untere „nackte“ Teil des Federkiels, ist bei dieser Archaeopteryx-Feder nicht mehr zu erkennen – sie wurde wahrscheinlich bei der Präparation unabsichtlich zerstört. Das jedoch macht es schwer, dieses Fossil einem bestimmten Federtyp zuzuordnen.

Laser-Fluoreszenz macht Fehlendes sichtbar

Um Abhilfe zu schaffen, haben Kaye und sein Team nun das berühmte Fossil erstmals einer speziellen Laseranalyse unterzogen. Bei der sogenannten laserstimulierten Fluoreszenz regt ein Laserstrahl die Atome des Fossils an, wodurch sie Licht abgeben – sie fluoreszieren. Dieses Leuchten kann verborgene Strukturen sichtbar machen, es erlaubt aber auch Rückschlüsse auf die geochemische Zusammensetzung des Materials.

ARchaeopteryx-Feder Zeichnung
Zeichnung der Feder aus dem Jahr 1862 (oben) und Fluoreszenzbild des Fossils. © Kaye et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Und tatsächlich: Durch die Fluoreszenz war der untere Kiel des Federfossils wieder deutlich zu erkennen. Das ermöglichte es den Forschern, die Anatomie dieser vermeintlichen Archaeopteryxfeder näher zu untersuchen – und ihre Form mit der von Federabdrücken an den Skeletten der anderen Archaeopteryx-Fossilien zu vergleichen.

Feder stammt nicht vom Archaeopteryx

Das Ergebnis: Die berühmte erste Feder weicht in ihrer Form und Struktur deutlich von denen der restlichen bekannten Archaeopteryxfedern ab. Sie ist zu krumm für eine Schwanzfeder und zu kurz für eine Flügelfeder des Urvogels, wie die Forscher berichten. Dem fossilen Federkiel fehlt zudem die typische S-Form, die für die Deckfedern moderner Vögel und einiger Urvögel typisch ist.

Das aber bedeutet: Die berühmte Feder stammt vermutlich gar nicht von einem Archaeopteryx, sondern von einem anderen gefiederten Zeitgenossen des Urvogels. „Unsere Studie weckt die Möglichkeit, dass diese isolierte Feder zu einem anderen frühen Vogel oder sogar einem nicht zu den Vögeln gehörenden gefiederten Dinosaurier gehörte“, sagen Kaye und seine Kollegen. „In jedem Fall bleibt diese Feder ein Rätsel und wir warnen davor, sie einfach dem Archaeopteryx zuzuordnen.“

Fossil-Ikonen mit Überraschungs-Effekt

Damit ist diese Feder schon das zweite Archaeopteryx-Fossil, das sich im Nachhinein als falsch zugeordnet herausstellt. Denn erst 2017 hatten neue Analysen des sogenannten „Haarlemer Exemplars“ entlarvt, dass dieses Skelett nicht von einem Urvogel stammt. Stattdessen handelt es sich um das Fossil eines vogelähnlichen Raubsauriers. Ein weiteres Archaeopteryx-Fossil, das sogenannte Daiting-Exemplar, erwies sich dafür wenig später als neue, zuvor unerkannte Art des Archaeopteryx.

„Das demonstriert, dass selbst bei den bestuntersuchten Ikonen unter den Fossilien noch wichtige Entdeckungen zu machen sind“, sagt Ko-Autor Michael Pittman von der Universität Hongkong. Gleichzeitig belegen diese Erkenntnisse, dass die Vielfalt der gefiederten Dinosaurier und Urvögel in der Gegend um das heutige Solnhofen im Jura-Zeitalter höher war als lange angenommen. (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-018-37343-7)

Quelle: The University of Hong Kong

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