Die Arktis brennt: Forscher warnen vor einem Regimewechsel arktischer Brände – inzwischen brennen am Polarkreis selbst Tundragebiete, die bisher als brandresistent galten. Ursache sind oft „Zombie-Brände“, die den Winter über im Untergrund schwelen. Im Folgejahr flammen sie dann wieder auf, ohne dass es einen Auslöser gibt. Durch diese unterirdischen Schwelbrände breiten sich die Feuer inzwischen immer weiter aus.
Generell sind Feuer in der Arktis kein neues Phänomen: In Sibirien und auch in Alaska kommt es im Sommer immer wieder zu Bränden in trockeneren Taiga- und Tundragebieten. Bisher allerdings galten die meisten jenseits des Polarkreises liegenden Permafrostgebiete als weitgehend feuerresistent. Denn sie sind von Mooren, Marschen und anderen Feuchtgebieten geprägt und der Untergrund enthält viel Eis.
Regimewechsel bei arktischen Bränden
Doch mit dem allmählichen Auftauen vieler Permafrostböden und zunehmender Trockenheit auch in der Arktis ändert sich dies. Schon 2010 warnten Wissenschaftler vor einer zunehmenden Häufung von Tundrabränden, inzwischen haben die arktischen Feuer ganz neue Dimensionen erreicht, wie nun Jessica McCarty von der Miami University und ihre Kollegen berichten.
Im Jahr 2020 hat die arktische Feuersaison zwei Monate früher als sonst begonnen und das Ausmaß der Brände war ungewöhnlich groß – wie in vielen anderen Regionen der Welt in diesem Jahr. „Alarmierend ist aber nicht allein die Größe der brennenden Flächen“, sagt Koautor Merritt Turetsky von der University of Colorado. „Trends in den Satellitendaten zeigen uns auch, dass sich das gesamte arktische Feuerregime verändert.“
Überwinternde „Zombie“-Feuer
Ein Symptom dieses Wandels sind die immer häufiger auftretenden „Zombie“-Brände. „Diese Feuer können monate- oder sogar jahrelang unterirdisch in kohlenstoffreichen Torfböden schwelen“, berichte die Forscher. Selbst im Winter und Frühling bleiben diese versteckten Brände trotz Frost und Schneeschmelze lebendig, erkennbar sind sie oft nur am von der Erdoberfläche aufsteigendem Rauch.
Feuerexperten gehen davon aus, dass diese „Zombie“-Feuer für die zunehmenden Brände sehr früh in der Brandsaison verantwortlich sind. „Einer der faszinierenden Aspekte dieser Zombie-Brände ist, dass sie keine neuen Auslöser wie Blitze oder Lagerfeuer benötigen, sondern eine Fortsetzung der Feuer aus dem Vorjahr sind“, erklären McCarty und ihr Team. Das bedeutet auch: Ausgedehnte Tundrabrände in einem Jahr können ein entsprechend stärkeres Feuergeschehen im Folgejahr nach sich ziehen.
Feuer selbst in früher brandresistenten Ökosystemen
Ebenfalls ungewöhnlich ist die Lage und Art der Brände: „Die Feuer von 2020 sind ungewöhnlich, weil mehr als die Hälfte von ihnen jenseits des 65. Breitgengrads auftraten, auf Permafrost mit hohem Eisanteil“, berichten die Forscher. Diese Untergründe galten bisher als weniger brandgefährdet. Ähnliches gilt für die Vegetation: „Tundramoore, Sümpfe und Marschen haben wir bislang als feuerresistente Ökosysteme angesehen – jetzt brennen sie“, sagt McCarty.
Gerade in den Dauerfrostböden der hohen Arktis ist jedoch viel organisches Material konserviert, das beim Brand enorme Menge an Treibhausgasen freisetzen können. „Die Hälfte der diesjährigen Feuer oberhalb des Polarkreises brannten auf alten, kohlenstoffreichen Torfböden“, sagt Koautor Thomas Smith von der London School of Economics. Gerade diese Böden geben beim Auftauen viel Kohlendioxid und Methan ab.
Auswirkungen auf das Klima noch unklar
„Die Rekordtemperaturen und damit verbundenen Brände haben das Potenzial, die wichtige Kohlenstoffsenke des Permafrosts zu einer Kohlenstoff-Quelle zu machen – und die globale Erwärmung so weiter anzuheizen“, sagt Smith. Doch bisher ist mangels Daten nur wenig darüber bekannt, wie viel Treibhausgase die verschiedenen arktischen Brände freisetzen und welche Gebiete am anfälligsten sind.
„Veränderungen im arktischen Feuerregime werden starken Einfluss auf das globale Klima haben“, sagen die Forscher. „Aber in welchem Ausmaß, wird erst klar sein, wenn wir die Dynamik und die Auswirkungen der unterirdischen Zombie-Brände und der Oberflächenbrände auf die Treibhausgasemissionen besser verstehen.“ (Nature Geoscience, 2020; doi: 10.1038/s41561-020-00645-5)
Quelle: University of Colorado at Boulder