50 Prozent bleiben unzersetzt liegen
Dabei zeigte sich: Sinkende Sauerstoffwerte im Bodenwasser beeinflussen den Kohlenstoffspeicher im Meeresboden früher und über größere Flächen als bisher angenommen, und das über Jahrzehnte hinweg. Wird der Sauerstoff am Meeresboden knapp, so wird deutlich weniger organisches Material abgebaut. Als Folge sammelt sich organischer Schlamm am Meeresgrund an – was die Sauerstoffzehrung noch weiter verstärkt.

Einfluss von Sauerstoff im Bodenwasser auf das Ökosystem an der nordwestlichen Krim/Schwarzmeer-Schelf. Bei andauernd hohen Sauerstoffkonzentrationen (rechts) finden sich zahlreiche Bodentiere, die den Boden gründlich durchlüften. Die Respirationsraten von Tieren und aeroben Mikroorganismen sind entsprechend hoch (gelber/oranger Bereich). Bei beginnender Sauerstoffarmut (Mitte) sinken die Respirationsraten, geringere Bioturbation führt einem Anstieg anaerober Mikroben und Umsätze. Unter sauerstofffreien Bedingungen (links) leben nur mehr Mikroorganismen. © Jessen et al. / Science Advances
Und selbst wenn dann doch wieder Sauerstoff einströmt, bleibt dieses Material im Untergrund. „Um die Hälfte mehr Material verbleibt im Boden, wenn der Sauerstoff im Bodenwasser immer mal wieder knapp wird“, berichtet Jessen. „Sogar für die Tiere leckere Häppchen wie frisch abgesunkenes Algenmaterial, das eigentlich leicht umzusetzen ist, bleibt dann jahrzehntelang ungenutzt.“
Würmer und Muscheln verschwinden
Doch warum haben die zeitweiligen Atemprobleme des Meeresbodens so starke Auswirkungen? „Der Sauerstoffmangel verändert die Bewohner des Meeresbodens“, erklärt Jessens Kollegin Antje Boetius. Vor allem größere Bodenbewohner wie Würmer und Muscheln brauchen Sauerstoff zum Leben. Diese Tiere durchwühlen das Sediment auf der Suche nach Nahrung und beim Anlegen von Wohnbauten und mischen dabei auch Nahrung und Sauerstoff für kleinere Meeresbodenbewohner unter.
„Wird der Sauerstoff knapp, verschwinden diese Tiere“, so Boetius. „Die im Meeresboden lebenden Bakterien sind dann quasi allein für die Umsetzung des organischen Materials, die Remineralisierung, verantwortlich.“ Doch diese Mikroben arbeiten deutlich langsamer, so dass bei sauerstoffarmen Bedingungen mehr organisches Material unzersetzt erhalten bleibt. Hinzu kommt, dass anaerobe Mikroorganismen, die ohne Sauerstoff beispielsweise durch Fermentation oder Sulfatreduktion ihre Energie gewinnen, giftigen Schwefelwasserstoff produzieren, der den Abbau weiter verlangsamt.
Jahrzehntelange Folgen
Das bedeutet: Selbst wenn in einem Meeresgebiet nur ab und zu Sauerstoffmangel eintritt, kann dies das Ökosystem und die Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe über Jahrzehnte hinweg beeinträchtigen und verändern. Angesichts wachsender Todeszonen sind dies keine sehr guten Nachrichten.
„Vom Schwarzen Meer können wir viel lernen, denn dort kann man die Auswirkungen von Sauerstoffmangel auf das Ökosystem Meer und seine Bedeutung auch für uns Menschen besonders gut erforschen“, sagt Boetius. „Solche Untersuchungen sind angesichts des globalen Wandels unverzichtbar, um mögliche Alarmsignale aus den Ozeanen rechtzeitig zu erkennen.“ (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1601897)
(Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 13.02.2017 – NPO)
13. Februar 2017