Klima

Atlantikwasser wärmt die Arktis auf

Jüngster Temperaturanstieg in der Framstraße einmalig in den letzten 2.000 Jahren

Karte der Grönlandsee und des Arktischen Ozeans. Die weiß abgetönten Flächen zeigen die durchschnittliche sommerliche Eisbedeckung, die weißen Pfeile markieren die Eisdrift. Die roten Pfeile zeigen den Transportweg für warmes Atlantikwasser in den Arktischen Ozean. Der gelbe Punkt markiert die Probenentnahmestelle für die aktuelle "Science"-Studie. © www.ibcao.org / R. Spielhagen, AdWMainz/IFM-GEOMAR

Nie in den vergangenen 2.000 Jahren war das Wasser des arktischen Nordatlantiks so warm wie heute. Dies belegt jetzt eine in „Science“ veröffentlichte Untersuchung von Meeressedimenten am westlichen Kontinentalhang Spitzbergens. Demnach schwankten die Temperaturen des einströmenden Meerwassers mehrfach um einige zehntel Grad, in den letzten 100 Jahren jedoch erwärmte es sich um 1,5°C. Hält dieser Trend an, könnte dies dramatische Folgen für die Eisbildung und Eisbedeckung im Arktischen Ozean haben.

Die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen ist die wichtigste Verbindung zwischen dem Arktischen Ozean und den übrigen Weltmeeren. Auf der Ostseite der Meeresstraße fließen warme und salzreiche Wassermassen aus dem Nordatlantik in die Arktis. Dieser warme Strom, die nördlichste Fortsetzung des Golfstroms, sorgt sogar im Winter für überwiegend eisfreie Bedingungen westlich von Spitzbergen. Wie sich die Klimabedingungen in der Framstraße in den letzten 2.000 Jahren entwickelt haben untersuchten jetzt Wissenschaftler des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) gemeinsam mit Kollegen aus Mainz, Bremerhaven, Tromsö in Norwegen und Boulder in den USA.

Foraminiferen als Klimaarchiv

Da kontinuierliche meteorologische und ozeanographische Messdaten nur etwa 150 Jahre zurückreichen, müssen die Wissenschaftler für die Untersuchung des Klimas der Vergangenheit indirekte Klimaarchive nutzen. Für die Rekonstruktion der Wassertemperaturen in der Framstraße nutzten die Autoren Foraminiferen, tierische Einzeller, die in Wassertiefen von 50 bis 200 Metern leben und während ihres Lebenszyklus Kalkschalen ausbilden. Anhand der Artzugehörigkeit und chemischen Zusammensetzung dieser im Meeresboden erhaltenen Schalen können die Forscher die ozeanischen und klimatischen Bedingungen der Vergangenheit rekonstruieren.

Die Auswertung dieser Daten zeigte, dass die Wassertemperaturen des einströmenden Atlantikwassers in der östlichen Framstraße im Verlauf der vergangenen 2.000 Jahre immer wieder um mehrere Zehntel Grad Celsius schwankten. „Besonders kalt war es während der ,Kleinen Eiszeit’, von etwa Mitte des 15. bis ins späte 19. Jahrhundert“, erklärt Koautorin Kirstin Werner vom IFM-GEOMAR.

Erwärmung um knapp zwei Grad

Ungewöhnlich viele wärmeliebende Foraminiferenarten, die mit dem Atlantischen Wasser in die Arktis transportiert werden, fanden die Autoren der Studie dagegen in den allerjüngsten Ablagerungen. Sowohl Artzugehörigkeit als auch die Zusammensetzung der Schalen deuten auf einen Temperaturanstieg von knapp zwei Grad Celsius in den letzten 100 Jahren hin. Ein solcher Anstieg ist beispiellos im untersuchten Zeitraum. „Eine solche Erwärmung von Atlantikwasser in der Framstraße hebt sich wesentlich von den Klimaschwankungen der vergangenen 2.000 Jahre ab“, erklärt Robert Spielhagen, der als Paläoozeanograph am IFM-GEOMAR forscht.

„Die heutigen Temperaturen des Atlantikwassers in der Framstraße liegen ca. 1,5 Grad Celsius höher als etwa im klimatisch warmen Hochmittelalter. Vieles spricht dafür, dass der beschleunigte Rückgang des Meereises und die in den letzten Jahrzehnten gemessene Erwärmung von Ozean und Atmosphäre in der Arktis unter anderem eine Folge des verstärkten Wärmetransports aus dem Atlantik sind“, so Spielhagen.

Sich verstärkende Rückkopplung zwischen Meereis und Ozeanerwärmung

Eine fehlende Meereisbedeckung verstärkt die Klimaveränderungen in der Arktis, wo anstelle der Rückstrahlung der Sonnenenergie durch das helle Eis („Eis-Albedo-Effekt“) die Wärme vom dunkleren Ozeanwasser aufgenommen und nachfolgend teilweise an die Atmosphäre abgegeben wird. Die neuen Ergebnisse bestätigen eine weitere, am IFM-GEOMAR durchgeführte Untersuchung über den Verbleib des Atlantischen Wassers auf den sibirischen Schelfen im Arktischen Ozean:

Im Rahmen des Projekts „System Laptev-See“ fanden Wissenschaftler die Schicht mit warmem Atlantischen Wasser in deutlich geringeren Wassertiefen als in den vorangegangen achtzig Jahren. Das berichteten sie 2010 in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research“. Sollte sich die Atlantikwasserschicht weiter erwärmen und ausdehnen, so könnte dies dramatische Folgen für die Eisbildung und Eisbedeckung im Arktischen Ozean haben. (Science, 2011; doi: 10.1126/science.1197397)

(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel, 28.01.2011 – NPO)

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