Klima

Atomwaffentests veränderten das Wetter

Ionisation der Luft durch Radionuklide ließ es über Europa mehr regnen

Atombombentest
Atombombentest im Jahr 1955. Der Fallout dieser Tests veränderte Niederschlagsmuster noch tausende Kilometer entfernt. © National Nuclear Security Administration

Radioaktive Fernwirkung: Die Atombombentests des Kalten Krieges verursachten noch tausende Kilometer entfernt mehr Regen und Wolken, wie nun eine Studie enthüllt. Der Grund: Die von den Explosionen freigesetzten radioaktiven Schwebteilchen verteilten sich weltweit und ionisierten die Luft. Das lud sie elektrisch auf und förderte die Bildung von Wolkentröpfchen und Regen. In Schottland regnete es dadurch an Tagen mit viel Fallout 24 Prozent mehr, wie Forscher berichten.

In den 1950er und 1960er Jahren führten die Großmächte zahlreiche Atomwaffentests durch, die enorme Menge an radioaktiven Schwebteilchen bis in die obere Atmosphäre schleuderten. Diese energiereichen Radionuklide verteilten sich weltweit und bildeten zeitweilig sogar einen künstlichen Strahlengürtel um die Erde, der Polarlichter selbst in den Tropen erzeugte. Inzwischen ist der größte Teil des radioaktiven Fallouts jener Zeit ausgewaschen und abgebaut, ein Rest ist aber noch immer nachweisbar.

Wetterdaten aus dem Kalten Krieg

Doch die Atombombentests hatten damals noch eine Fernwirkung, wie Forscher um Giles Harrison von der University of Reading herausgefunden haben. Sie hatten für ihre Studie Messdaten einer Wetterstation auf den schottischen Shetland Inseln sowie von einer Station in Kew nahe London aus der Zeit von 1962 bis 1964 und mehreren Vergleichszeiträumen ausgewertet. Unter den Daten waren sowohl Angaben zu Wolkendichte und Niederschlag wie auch zur elektrischen Aufladung und der radioaktiven Kontamination der Luft.

„Damals nutzten Wissenschaftler die von den Kernwaffentests freigesetzte Radioaktivität, um mehr über globale Luftströmungen und Zirkulationsmuster zu erfahren“, erklärt Harrison. Anhand der Messdaten vollzogen sie nach, wie schnell und auf welchen Wegen die Radionuklide nach einem Test in anderen Regionen der Erde auftauchten. Weil die Shetland-Inseln hunderte Kilometer entfernt vom Festland liegen, waren sie kaum anderen, lokalen Kontaminationen ausgesetzt.

Mehr Regen und Wolken nach einem Test

Die Auswertungen enthüllten: Immer dann, wenn sich die radioaktive Kontamination der Luft erhöhte, verschlechterte sich über den Shetland-Inseln das Wetter. „In der Zeit der Atomwaffentests verdichteten sich die lokalen Wollen und der tägliche Niederschlag stieg im Schnitt um 24 Prozent“, berichten Harrison und seine Kollegen. Nach Ende der Atombombentests blieben diese Schwankungen aus.

Der Grund für diesen Effekt: Die energiereichen Radionuklide ionisierten die Gasteilchen in der Luft und luden so die Atmosphäre elektrisch auf. Auch die winzigen Tröpfchen, die die Wolken bilden, erhielten so eine zusätzliche Ladung. „Gängiger Hypothese nach kann eine solche zusätzliche Ionisation mikrophysikalische Veränderungen in Wasserwolken verursachen“, erklären die Forscher. Die elektrische Ladung bringt die winzigen Wolkentröpfchen dazu, sich aneinanderzulagern und so schneller zu wachsen.

Als Folge erreichen die Tröpfchen schneller die Größe, ab der sie nicht mehr in der Schwebe bleiben können und Richtung Erdboden fallen – es regnet.

Fernwirkung über tausende Kilometer

Die Wetterdaten aus dem Kalten Krieg belegen damit, dass die Atombombentests selbst tausende Kilometer entfernt noch einen Einfluss auf die Wettermuster hatten. Die radioaktive Kontamination und die von ihr ausgelöste Ionisierung der Luft verstärkten Wolken und Regen über Europa und anderen Regionen.

„Die politisch aufgeladene Atmosphäre des kalten Krieges führte zu einem atomaren Wettrüsten und einer weltweiten Angst“, sagt Harrison. „Jahrzehnte später geben uns diese Daten nun eine einzigartige Möglichkeit zu erforschen, wie die elektrische Ladung der Luft den Regen beeinflusst.“ (Physical Review Letters, 2020; doi: 10.1103/PhysRevLett.124.198701)

Quelle: University of Reading

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