Vergessener Klimafaktor: Bisher galt der Luftsauerstoff als unwichtig für das Erdklima. Doch wie sich jetzt zeigt, ist das falsch. Denn in Zeiten, in denen die Erdatmosphäre weniger Sauerstoff enthält, steigen die Temperaturen und die Niederschläge, wie Forscher nun nachweisen. Das spielt zwar für den heutigen Klimawandel keine Rolle, wohl aber für einige Wärmeperioden der Erdgeschichte, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“.
Heute enthält die Atmosphäre der Erde rund 21 Prozent Sauerstoff – doch das war nicht immer so. Denn allein im Laufe der letzten 500 Millionen Jahre schwankte der Sauerstoffgehalt zwischen zehn und 35 Prozent. Für das Klima galten diese Fluktuationen jedoch bisher als irrelevant, denn im Gegensatz zur Kohlendioxid hat Sauerstoff keine Treibhauswirkung. Indirekte Effekte gibt aber sehr wohl, wie Christopher Poulsen von der University of Michigan in Ann Arbor und seine Kollegen nun belegen.
Einfluss auf die Sonneneinstrahlung
„Veränderungen des O2-Gehalts von mehreren Prozent haben einen substanziellen Effekt auf die atmosphärische Dichte und den Druck“, erklären die Forscher. „Durch diesen Einfluss wiederum beeinflusst der Sauerstoff direkt die sogenannte solare optische Tiefe – ein Maß dafür, wie stark die Atmosphäre das Sonnenlicht hindurchlässt, streut oder absorbiert.“
Wie hoch dieser Einfluss des Sauerstoffs ist und wie sich dies auf das Erdklima auswirkt, haben die Forscher nun für eine besonders warme Periode der Erdgeschichte getestet, die mittlere Kreidezeit. Bisherige Klimamodelle konnten die Temperaturen vor rund 100 Millionen Jahren bisher nur in Teilen reproduzieren. Poulsen und seine Kollegen variierten nun die O2-Gehalte der Luft in ihren Simulationen zwischen fünf und 35 Prozent, bildeten aber alle anderen Klimafaktoren den für diese Zeit typischen nach.
Mehr Sonneneinstrahlung, mehr Niederschlag
Das Ergebnis: Immer dann, wenn die Sauerstoffgehalte der Luft niedriger waren, stiegen auch die Temperaturen und die Niederschläge deutlich an. „Unter diesen Bedingungen wird die Strahlung weniger stark durch Luftmoleküle gestreut“, erklären die Forscher. „Das führt zu einer substanziellen Erhöhung der kurzwelligen Einstrahlung auf die Oberfläche.“
Senkten die Forscher die O2-Konzentrationen von den heute üblichen 21 Prozent auf 10 Prozent, bewirkte dies eine Erwärmung um 2,1 Grad. Noch ausgeprägter aber war der Einfluss der Sauerstoffs auf die Niederschläge: Weil mehr Sonnenstrahlung auf die Erdoberfläche und Vegetation gelangte, stieg die Verdunstung und damit auch Luftfeuchtigkeit und Niederschlag – in den höheren Breiten um bis zu 45 Prozent, wie die Forscher berichten.
Wichtiger Faktor – aber nicht für den aktuellen Klimawandel
„Die Verbindung zwischen Sauerstoffgehalten und Klima wurde bisher nie berücksichtigt“, sagt Poulsen. „Jetzt jedoch zeigt sich, dass dies sogar ein wichtiger Faktor zu bestimmten Zeiten sein kann.“ Zumindest in der Kreidezeit könnte eine geringere Dichte der Atmosphäre – ob durch weniger Sauerstoff oder eine anderen Komponente wie Stickstoff – die bisher in Modellen nicht rekonstruierbare zusätzliche Erwärmung erklären.
Die Forscher betonen allerdings, dass dieser Faktor für den heutigen Klimawandel keine nennenswerte Rolle spielt. Denn die aktuelle Erwärmung findet in einer Zeit statt, in der sich die Sauerstoffgehalte der Luft nicht verändert haben. Heute sei definitiv das Kohlendioxid die treibende Kraft, so die Forscher. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.1260670)
(American Association for the Advancement of Science, 12.06.2015 – NPO)