Wenn Arten aussterben ist das oft eine Folge ihrer Unfähigkeit, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen und der Konkurrenz mit anderen Spezies. Dass sich beim Kampf ums Überleben nicht immer nur starke, sondern manchmal auch schwache Arten durchsetzen, haben jetzt Münchener Forscher mithilfe von Computersimulationen gezeigt.
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Sie berechneten den Verlauf eines zyklischen Wettbewerbs dreier Arten bei dem jede Spezies einer anderen Art überlegen ist, während sie von einem dritten Interaktionspartner geschlagen wird. „Bei dieser Form der kreisförmiger Konkurrenz erweist sich fast ausnahmslos die schwächste Spezies als Gewinner“, berichtet Professor Erwin Frey von der Universität München und der Leiter der Studie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“. „Die beiden stärkeren Arten sterben dagegen aus, wie Experimente an Bakterien bereits gezeigt haben. Unser Ergebnis ist nicht nur eine große Überraschung, sondern auch wichtig für das Verständnis der Evolution von Ökosystemen und die Entwicklung neuer Strategien zum Schutz von Arten.“
Konkurrenz im Ökosystem
Ökosysteme setzen sich aus einer großen Zahl verschiedener Arten zusammen, die interagieren und miteinander um die knappen Ressourcen in Konkurrenz stehen. Dieser Wettbewerb zwischen Spezies wirkt sich wiederum auf die Wahrscheinlichkeit aus, mit der sich Individuen fortpflanzen können und überleben – also Geburt und Tod. All diese Prozesse beruhen in großem Maße auch auf rein rechnerischen Wahrscheinlichkeiten, wodurch sich Fluktuationen ergeben, die letztlich zum Artensterben führen. Man weiß, dass auf der Erde bis zu 50 Spezies pro Tag ausgelöscht werden, was in dieser hohen Rate auch auf den Einfluss des Menschen zurückzuführen ist.
Das Phänomen Artensterben an sich aber kann nicht vollständig vermieden werden – und ist auch noch wenig verstanden. Die theoretische Ökologie und die Biophysik untersuchen deshalb intensiv Bedingungen und Mechanismen, die sich auf die Biodiversität der Erde auswirken. Der zyklische Wettbewerb etwa ist ein wichtiger Spezialfall der Konkurrenz: Dabei ist jeder Teilnehmer einem anderen Interaktionspartner überlegen, wird von einem dritten aber geschlagen.
„Stein-Schere-Papier“ bei Arten
Im Ökosystem wären das im vereinfachten Modell drei Subpopulationen, die sich reihum dominieren. Tatsächlich kennt man bereits aus verschiedenen Habitaten entsprechende und auch komplexere Gemeinschaften, die diesen Regeln folgen. Eine derart kreisförmige Interaktion ist auch als Spiel unter dem Namen „Stein-Schere-Papier“ bekannt. Dabei macht der Stein die Schere stumpf, die dafür das Papier schneidet, das wiederum den Stein einwickelt. Zusammen bilden diese nicht-hierarchischen Beziehungen eine Kreisbewegung.
„Das Spiel kann helfen, die Artenvielfalt zu beschreiben“, so Frey. „Hintergrund ist ein Teilgebiet der Mathematik, die so genannte Spieltheorie, in diesem Fall die evolutionäre Spieltheorie. Sie hilft, Systeme mit mehreren Akteuren zu analysieren, deren Interaktionen denen in Gesellschaftsspielen ähneln.“ Mit Hilfe der Spieltheorie kann man auch die gemeinsame Entwicklung von Populationen untersuchen.
Computersimulationen berechnen Überlebenswahrscheinlichkeiten
In ihrer Studie entwarfen die Wissenschaftler um Frey aufwändige Computersimulationen, um die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, mit denen Arten im zyklischen Wettbewerb überleben. Die Koexistenz von drei Spezies war der Ausgangspunkt der Systeme, die bis zur Auslöschung zweier Arten – mit der dritten als einzig verbleibendem Überlebenden – liefen. „Dabei zeigte sich, dass bei großen Populationen die schwächste Art mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Sieger war“, so Frey. Dieses „Gesetz des Schwächeren“ trat selbst dann auf, wenn der Unterschied zwischen den konkurrierenden Spezies gering war.
„Dieses Resultat war auch für uns unerwartet“, berichtet Frey. „Es zeigt aber einmal mehr, dass die Dynamik eines Ökosystems in hohem Maße auch auf Wahrscheinlichkeiten beruht – und der Zufall eine wichtige Rolle dabei spielt. In Experimenten, die vor ein paar Jahren an Bakterien durchgeführt wurden, um eine zyklische Konkurrenz zu untersuchen, gab es übrigens ein eindeutiges Ergebnis: Die schwächste der drei Arten ging als Sieger aus dem Wettbewerb hervor.“
(idw – Universität München, 17.02.2009 – DLO)