Klima

Auch tauende Berggletscher sind Methanschleudern

Schmelzwasser selbst kleinerer Eisflächen setzt potentes Treibhausgas frei

Schneebedeckte Hügel
Im Schmelzwasser der drei Gletscher in den Yukon-Bergen in Kanada fanden Forschende eine hohe Methankonzentration. © Sarah Elise Sapper

Unerwarteter Fund: Auch Berggletscher können beim Tauen überraschend viel Methan freisetzen, wie Forschende in den kanadischen Yukon-Bergen entdeckt haben. Im Schmelzwasser der dortigen Gebirgsgletscher fanden sie bis zu 250-fach erhöhte Methankonzentrationen. Bislang dachte man, dass vor allem die großen Eisschilde dieses potente Treibhausgas beim Schmelzen freisetzen. Die neuen Funde sprechen jedoch dafür, dass selbst das Abtauen kleinerer Eisflächen den Klimawandel durch zusätzliche Methanemissionen anheizen könnte.

Im Zuge des Klimawandels erwärmt sich die Erde immer schneller. Der rasante Temperaturanstieg hat gerade in frostigen Gebieten schwerwiegende Konsequenzen. Das arktische Meereis und die Gletscher schwinden und auch die Permafrostböden des hohen Nordens tauen. Der Rückzug des Eises hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme, er legt auch zuvor blockierte Methanvorkommen frei. Als Folge tritt aus dem Schmelzwasser der großen Eisschilde und aus arktischen Grundwasserquellen vermehrt Methan (CH4) aus – ein potentes Treibhaus.

Bisher ist jedoch unklar, wie viel Methan sich unter den Gletschern der Polargebiete verbirgt. „Direkte Emissionen von CH4 wurden bisher nur für fünf Gletscher-Ausflüsse weltweit nachgewiesen“, erklären Sarah Elise Sapper von der Universität Kopenhagen und ihre Kollegen. Zudem stammen diese Daten alle von Gletschern der großen Eisschilde.

Methan-Fahndung an Gebirgsgletschern

Hubschrauber an einem Bergsee
Die Forschenden entnahmen Proben in den Strudeln des ausströmenden Schmelzwassers in der Nähe des Gletscherrandes, um das darin enthaltene Methan zu messen. © Sarah Elise Sapper

Deshalb hat das Team um Sapper nun erstmals auch kleinere Gletscher auf eine eventuelle Methanfreisetzung hin untersucht. Dafür entnahmen die Wissenschaftler Schmelzwasserproben von drei unterschiedlichen Gebirgsgletschern in den Yukon-Bergen im Nordwesten Kanadas und prüften die Methan- und Kohlendioxidkonzentration im Wasser sowie in der Umgebungsluft der Probenstandorte.

Das Ergebnis: In den Schmelzwässern der drei Yukon-Gletscher ermittelten Sapper und ihre Kollegen Methankonzentrationen, die bis zu 250-mal höher waren als die in der Atmosphäre. Derart beachtliche Mengen des Treibhausgases waren selbst für die Forschenden überraschend. „Wir hatten erwartet, dass wir im Schmelzwasser niedrige Werte finden würden, da man davon ausgeht, dass für die Methanemissionen der Gletscher größere Eismassen wie riesige Eisschilde erforderlich sind.“, erklärt Sapper.

Subglaziale Mikroben als Methanproduzenten

Als möglichen Ursache für die überraschende Produktion des Treibhausgases unter den kleinen Gletschern vermuten die Forscher biologische Gründe. Mikroorganismen unter den Eisschichten könnten organische Kohlenstoffe, wie beispielsweise Ablagerungen von prähistorischen Meeresorganismen, Böden, Torf oder Wäldern zersetzen und dabei Methan produzieren.

Doch daraus ergibt sich ein weiteres Rätsel, denn normalerweise findet dieser Prozess nur in sauerstofffreien Umgebungen statt. „Das Schmelzwasser von der Oberfläche der Gletscher ist sauerstoffreich, wenn es auf den Grund des Eises gelangt. Wir fanden es also ziemlich überraschend, dass all dieser Sauerstoff irgendwo auf dem Weg verbraucht wird, sodass sich unter diesen Berggletschern sauerstofffreie Umgebungen bilden.“, erklärt Sapper.

Mehr Methanschleudern als gedacht

Nach Ansicht des Forschungsteams spricht ihre Entdeckung dafür, dass sich auch unter anderen, kleineren Gletschern weltweit ähnliche Methanvorkommen verbergen können. Sie wirft aber auch neue Fragen auf. „Wenn wir plötzlich sehen, dass selbst Gebirgsgletscher, die im Vergleich zu einem Eisschild klein sind, in der Lage sind, Methan zu bilden und freizusetzen, erweitert dies unser grundlegendes Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs in extremen Umgebungen auf unserem Planeten“, sagt Koautor Jesper Riis Christiansen von der Universität Kopenhagen.

Sollte sich bestätigen, dass auch kleinere Gletscher beim Abschmelzen vermehrt Methan freisetzen, könnte dies den Klimawandel zusätzlich anheizen. Denn ähnlich wie schon beim tauenden Permafrost wäre dies eine positive Rückkopplung, die die Treibhausgaskonzentrationen der Atmosphäre weiter in die Höhe treiben könnten – und damit auch die irdischen Temperaturen.

Ausmaß des Problems noch unklar

Den Forschenden zufolge ist jedoch noch nicht eindeutig geklärt, was die Ergebnisse für die weitere Entwicklung des Klimawandels bedeuten. Klar sei aber, dass die Ergebnisse Wachsamkeit erfordern. „Es gibt zu viel, was wir nicht wissen, und die schmelzenden Gletscher legen unbekannte Umgebungen frei, die Jahrtausende lang verborgen waren. In Wirklichkeit weiß niemand, wie sich die Emissionen verhalten werden“, sagt Christiansen.

Er hofft aber, dass ein besseres Verständnis des Methanverhaltens unter den Gletschern helfen wird, besser zu verstehen, wie das Treibhausgas auch in anderen Umwelten wie beispielsweise in Feuchtgebieten freigesetzt wird. (Arctic Antarctic and Alpine Research, 2023; doi: 10.1080/15230430.2023.2284456)

Quelle: Universität Kopenhagen

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