Geowissen

Babylonische Ziegel verraten Magnet-Anomalie

Magnetisierung von Ziegeln aus Mesopotamien enthüllen Magnetfeld-Fluktuationen

Mesopotamischer Ziegel
Dieser Ziegel stammt aus dem alten Mesopotamien und ist rund 3.750 Jahre alt, wie die Inschrift mit dem Königsnamen Iakūn-dīri verrät. Wie stark das Erdmagnetfeld damals dort war, haben Forschende mithilfe solcher Ziegel jetzt ermittelt.© Matthew D. Howland

Magnetisierte Zeitzeugen: Wie bedrohlich sind regionale Anomalien und Schwankungen des Erdmagnetfelds? Kündigen sie womöglich eine Umpolung an? Neue Erkenntnisse dazu liefern nun gebrannte Ziegel aus dem alten Mesopotamien. Denn die in ihnen konservierte Magnetisierung enthüllt, dass das irdische Magnetfeld schon vor rund 3.000 eine ziemlich turbulente Zeit durchlebte. Zur Zeit des babylonischen Königs Nebukadnezars war die Feldintensität zwar höher als heute, aber es gab enorme Schwankungen, wie die Messungen verraten.

Das Erdmagnetfeld ist ein essenzieller Schutzschild für das Leben auf unserem Planeten. Doch im Laufe der Erdgeschichte hat sich dieser schützende Käfig aus Feldlinien schon oft verändert: Es gab Schwächephasen, verschobene Pole und auch komplette Umpolungen. Oft wurden solche Polwechsel durch regionale Anomalien oder sogenannte Exkursionen eingeleitet – Phasen, in denen sich das Magnetfeld kurzzeitig umpolte, um dann wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren.

Magnetanomalie
Aktuell gibt es eine Magnetanomalie im Südatlantik, die Feldintensität ist dort ungewöhnlich gering. Doch was bedeutet dies für die Stabilität des Erdmagnetfelds? © Finlay et al./ Earth, Planets and Space, Volume 72, CC-by-sa 4.0

Auch heute gibt es einige Magnetfeld-Anomalien, die größere Veränderungen des Erdmagnetfelds ankündigen könnten – vielleicht aber auch nicht. Um dies einschätzen zu können, sind Geowissenschaftler auf möglichst genaue und umfassende Daten aus früheren, ähnlichen Phasen angewiesen. Eine dieser Phasen ist die sogenannte Levantinische Eisenzeit-Magnetanomalie (LIAA) , die vor rund 3.000 Jahren begann und rund 350 Jahre anhielt. Während dieser Zeit gab es mehrfache starke, kurze Fluktuationen in der ansonsten auffallend hohen irdischen Magnetfeldstärke.

Mesopotamische Ziegel als Zeitzeugen

Das Problem jedoch: Wie ausgeprägt und räumlich ausgedehnt diese eisenzeitlichen Magnetfeld-Schwankungen waren, ist bisher nur in Teilen geklärt. Denn aus vielen Regionen fehlen entsprechende Daten. Dies galt auch für das alte Mesopotamien, der Region, in der die ersten Hochkulturen der Menschheit entstanden. Um diese Lücke zu schließen, hat ein Team um Matthew Howland von der Wichita State University nun dort gezielt nach „Zeitzeugen“ der Magnet-Anomalie gesucht.

Fündig wurden die Forschenden bei einem in Mesopotamien vor allem für Tempel, Paläste und öffentliche Bauten verwendeten Baumaterial: gebrannten Ziegelsteinen. Sie wurden aus Lehm geformt, getrocknet und anschließend in Öfen bei bis zu 600 Grad gebrannt und damit haltbar gemacht. „Solche gebrannten Ziegelsteine finden sich schon ab dem 5. Jahrtausend vor Christus in Mesopotamien“, berichten Howland und sein Team. Oft markierte man diese Steine zudem mit dem Siegel des gerade herrschenden Königs – was ihre Datierung erleichtert.

Gespeicherte Magnetisierung

Das Entscheidende jedoch: Diese gebrannten Ziegel verraten den Zustand des Magnetfelds zu ihrer Entstehungszeit. Denn beim Brennen wurden die Ausrichtung und Magnetisierung der im Lehm enthaltenen Eisenoxid-Mineralen fixiert. „Die gebrannten Steine sind daher ein ideales Hilfsmittel bei archäomagnetischen Untersuchungen“, so die Forschenden. „Durch die eingeritzten oder einstempelten Inschriften lassen sich diese Artefakte zudem relativ präzise auf die Regierungszeiten einzelner mesopotamischer Herrscher datieren.“

Für ihre Studie haben Howland und sein Team 32 mesopotamische Ziegel untersucht, die zwischen 5.000 und 3.500 Jahre alt sind. Sie stammen damit aus der Zeit der Sumerer, Babylonier und Assyrer. Auf den Ziegeln prangen teilweise so bekannte Königsnamen wie Nebukadnezar II, Shulgi oder Tukulti-Nurta I. Von jedem Stein entnehmen die Forschenden mehrere Proben, die sie dann auf ihre Magnetisierung hin untersuchten.

Ziegel aus Nebukadnezars Zeit
Dieser mesopotamische Ziegel stammt aus der Regierungszeit von König Nebukadnezar II, wie die eingeprägte Inschrift verrät. © Slemani Museum

Starke Fluktuationen zu Nebukadnezars Zeit

Das Ergebnis: Die Ziegelsteine aus dem alten Mesopotamien bestätigten, dass sich die eisenzeitliche Magnetanomalie auch auf das Zweistromland erstreckte. Ähnlich wie schon für den Nahen Osten und östlichen Mittelmeerraum nachgewiesen, gab es auch in Mesopotamien in der Zeit vor 3.000 Jahren eine anhaltende Hochphase der Magnetfeldintensität. „Dies bestätigt die Existenz der LIAA und erhöht die räumliche Auflösung der archäomagnetischen Messungen deutlich“, schreiben Howland und sein Team.

Doch es gab auch eine Überraschung: Die Ziegelsteine enthüllten auch eine weitere, spätere Phase starker Magnetfeld-Fluktuationen im Mittleren Osten. Indizien dafür lieferten die magnetischen Messungen von fünf Ziegelsteinen aus der Regierungszeit des Königs Nebukadnezar II von 604 bis 562 vor Christus. „Unsere Messdaten aus diesen 42 Jahren zeigen stark unterschiedliche Werte, was auf schnelle Wechsel in der geomagnetischen Feldintensität dieser Zeit hindeuten könnte“, so die Forschenden.

Wichtige Einblicke in die Magnetfeldgeschichte

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse demnach, dass sich das Erdmagnetfeld selbst in geschichtlicher Zeit immer wieder messbar veränderte. Dabei wurden länger anhaltende Phasen erhöhter oder verringerter Feldintensität auch immer wieder von kurzzeitigen, starken Schwankungen unterbrochen. Relevant ist dies unter anderem deshalb, weil es anzeigt, dass auch gegenwärtige Anomalien und Fluktuationen nicht unbedingt direkte Vorzeichen einer nahen Umpolung sein müssen.

Stattdessen gibt es auch in Phasen eines ansonsten stabilen Erdmagnetfelds offenbar immer wieder vorübergehende „Ausrutscher“ – wie die während der Regierungszeit von König Nebukadnezar II. in Mesopotamien. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2313361120)

Quelle: University College London

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