Bakterien nehmen in Gewässern wichtige Funktionen ein und tragen wesentlich zum Stoffumsatz und daher zur Selbstreinigung von Seen bei. Doch wie bewegen sich die Winzlinge zwischen Wasserschichten, die für sie alleine unüberwindbar sind? Den „Trick“ haben jetzt Forscher in Experimenten herausgefunden: Die Mikroben benutzen kleine Wassertiere als Transportgelegenheit, um Wasserschichten zu wechseln.
Tiefe Seen weisen meist Zonen mit unterschiedlichen Lebensbedingungen auf. So finden sich nahe der Wasseroberfläche Bereiche mit erhöhten Konzentrationen von Sauerstoff und organischem Material, beispielsweise von Algen, während in der Tiefe anorganische Nährstoffe in höherer Konzentration vorliegen. Die meisten größeren Lebewesen im Gewässer können sich je nach ihren Bedürfnissen in der Wassersäule bewegen. Doch Kleinlebewesen wie Bakterien könne dies nicht. Für sie sind viele Grenzschichten im Gewässer, die sich beispielsweise entlang von Temperatur- oder chemischen Gradienten ausbilden, ohne fremde Hilfe unüberwindbar.
Seeschichtung in Labor nachgebildet
Forscher der Arbeitsgruppe von Hans-Peter Grossart vom Leibniz- Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei haben nun in Kooperation mit Kollegen vom Virginia Institute of Marine Science untersucht, wie Gewässerbakterien trotzdem diese Barieren überwinden können. Ihr Ziel: Sie wollten testen, ob die Förderband-Hypothese, nach der die Mikroben andere Lebewesen als „Taxi“ benutzen, stmmt.
Dafür simulierten die Forscher die typische Schichtung eines Sees in so genannten Migrationssäulen und setzten Wasserflohkrebse (Daphnia magna) als typische Bewohner der Wassersäule ein. Dann isolierten sie drei unterschiedliche Bakterienarten aus dem Stechlinsee, markierten sie mittels grün fluoreszierendem Protein (GFP) und gaben sie entweder in die obere oder in die untere Wasserschicht der Migrationssäulen.
Mikroben springen aktiv auf „Taxis“ auf
Die Beobachtungen zeigten, dass die Wasserflöhe tatsächlich als effektives Transportmittel für die Bakterien fungierten. Die Mikroben ließen sich aktiv durch das Aufspringen auf die Wasserflöhe transportieren. Dabei wechselten täglich bis zu einem Prozent der Bakterien die Wasserschicht. Die Versuche ergaben zudem, dass sich die Zusammensetzung der auf Wasserflöhen angehefteten Bakteriengemeinschaften entsprechend ihrer Tag- und Nachtwanderung deutlich voneinander unterscheidet. Im Nehmitzsee in Brandenburg konnten die Wissenchaftler ihre „Förderband-Hypothese“ auch im Freiland belegen.
Das aktive Anheften der Mikroben an verschiedene größere und wandernde Wasserorganismen hat weitreichende ökologische wie evolutionäre Konsequenzen. Denn jetzt ist belegt, dass dies tatsächlich einen erhöhten Austausch von Bakterien auf lange Distanz ermöglicht.
(Forschungsverbund Berlin e.V., 30.07.2010 – NPO)