Upcycling mit Klima-Effekt: Forscher haben ein Bakterium dazu gebracht, Kohlendioxid aus Stahlwerks-Rauchgasen in die Chemie-Rohstoffe Aceton und Isopropanol umzuwandeln. Die gentechnisch optimierte Mikrobe könnte damit auf doppelte Weise zum Klimaschutz beitragen: Sie verhindert die Emission von CO2 und ersetzt Erdöl, das bisher für die Produktion dieser Chemikalien nötig ist, wie das Team in „Nature Biotechnology“ berichtet. Eine erste Pilotanlage in industriellem Maßstab existiert bereits.
Um die Treibhausgas-Emissionen einzudämmen, sind verschiedene Ansätze möglich. Der eine ist der Verzicht auf fossile Brennstoffe, deren Verbrennung oder chemische Umsetzung den über Jahrmillionen im Untergrund gebundenen Kohlenstoff als CO2 freisetzt. Die zweite Option ist die CO2-Abscheidung aus Abgasen und die Bindung des Treibhausgases in Festoffen oder anderen Substanzen, die dann weiterverarbeitet und genutzt werden können. Ein solches Upcycling von CO2 gilt als wichtiger Schritt zu einer Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft.
Ein Bakterium als Chemie-Fabrik
Ein Beispiel, wie ein solches Upcycling funktionieren könnte, haben nun Eric Liew von Lanza Technology und seine Kollegen vorgestellt. Ausgangspunkt war Clostridium autoethanogenum, ein anaerobes Bakterium, das von Natur aus Ethanol aus Kohlenmonoxid herstellen kann. Bisher gelang es jedoch nicht, diese Mikrobe zu einer effizienteren Produktion oder zur Herstellung auch anderer organischer Verbindungen zu bringen, denn die Bakterien wachsen langsam und sind nur schwer genetisch zu editieren.
Doch Liew und seinem Team ist dies nun gelungen. Sie haben einen Stamm von Clostridium autoethanogenum gentechnisch so verändert, dass die Mikrobe nun aus CO2 die begehrten Chemikalien Aceton und Isopropanol herstellen kann. „Diese organischen Verbindungen haben zusammen ein globales Handelsvolumen von mehr als zehn Milliarden US-Dollar“, erklären die Forschenden. Sie werden als Lösungsmittel, Rohstoff für Acrylglas und Desinfektionsmittel gebraucht.
Bisher jedoch lassen sich Aceton und Isopropanol nur durch energieaufwendiges Aufspalten von Kohlenwasserstoffen aus fossilen Rohstoffen herstellen. „Praktisch einsetzbare grüne Alternativen gibt es nicht“, so das Team.
Gezielte Gen-Modifikationen
Um Abhilfe zu schaffen, haben Liew und seine Kollegen nach gen- und biotechnischen Möglichkeiten gesucht, um diese Chemikalien durch Clostridium autoethanogenum zu erzeugen. Dafür ermittelten sie zunächst durch eine Suche in Gen- und Enzymdatenbanken, welche Enzyme und Stoffwechselwege die Mikrobe bräuchte, um aus dem Rohstoff CO2 möglichst effizient Aceton und Isopropanol zu produzieren.
Anschließend editierten die Wissenschaftler das Genom der Mikrobe, in dem sie ihr fehlende Gene einsetzten, andere hochregulierten und wieder andere blockierten. Unter anderem deaktivierten sie so den Stoffwechselweg, mit dem das Bakterium Ethanol produziert. „Unseres Wissens nach repräsentiert dies die höchste Zahl an kombinierten Genom-Modifikationen, die je in einem Clostridium-Stamm durchgeführt wurden“, so das Team. In anschließenden Labortests identifizierten sie dann die Bakterienvarianten, die die gewünschten Chemikalien am effizientesten erzeugen konnten.
Test in industriellem Maßstab erfolgreich
Nun folgte der praktische Test – erst in einem Zwei-Liter-Bioreaktor, dann in einer 120 Liter fassenden Pilotanlage im industriellen Maßstab. Für diese leiteten die Forschenden Stahlwerks-Rauchgas durch die mit den Bakterien angereicherte Nährlösung im Reaktor. Das Rauchgas enthielt rund 50 Prozent Kohlenmonoxid, 30 Prozent CO2, zehn Prozent Wasserstoff und zehn Prozent Stickstoff. Pro Minute wurden 11,5 bis 23 Liter unter 1,4 Bar Druck durch die Bakterienlösung geleitet.
Die Tests ergaben: Wie erhofft wandelten die Mikroben das CO2 aus dem Rauchgas in Aceton und Isopropanol um. Die Ausbeute dieses Bioprozesses lag mit rund drei Gramm pro Liter und Stunde im industriell relevanten Bereich. Zudem lief die Umwandlung drei Wochen lang kontinuierlich auf diesem Niveau, ohne dass Einbußen der Produktivität auftraten. „Die beobachtete Leistung macht uns zuversichtlich, dass die von uns entwickelten Bakterienstämme auch im industriellen Maßstab einsetzbar sind“, schreiben Liew und seine Kollegen.
Deutlicher Klimaschutz-Effekt
Doch was bringt dies dem Klima? Auch das haben die Wissenschaftler untersucht. Ihrer Lebenszyklusanalyse zufolge spart die bakteriengestützte Aceton- und Isopropanol-Herstellung 160 Prozent CO2 gegenüber den konventionellen Produktionsmethoden ein. Während diese beispielsweise bei Aceton im Schnitt 2,55 CO2-Äquivalente pro Kilogramm freisetzt, hat die biogene Herstellung einen negativen CO2-Fußabdruck von minus 1,78 CO2 pro Kilogramm. Beim Isopropanol sieht es ähnlich aus.
„Unser Bioprozess bietet damit eine grüne Alternative zur den heutigen Produktionswegen dieser wichtigen Chemikalien“, konstatieren die Forschenden. „Gleichzeitig fördert diese Arbeit die Implementierung einer zirkulären Kohlenstoffwirtschaft, in der Kohlenstoff aus landwirtschaftlichen, industriellen und gesellschaftlichen Abgasströmen in der Wertschöpfungskette chemischer Rohstoffe recycelt wird.“
Auch die nicht an der Studie beteiligten Wissenschaftler Corinne Scown und Jay Keasling vom Lawrence Berkeley National Laboratory halten den Ansatz für vielversprechend: „Die Schaffung von Kreislauf- oder sogar Netto-Negativ-Industriesektoren durch die synthetische Biologie wird zwar allein die Klimakrise nicht beheben. Aber man könnte damit einige der am schwersten zu dekarbonisierenden Teile der globalen Wirtschaft angehen“, schreiben sie in einem begleitenden Kommentar. (Nature Biotechnology, 2022; doi: 10.1038/s41587-021-01195-w)
Quelle: Northwestern University