Zehntausende Tonnen Obst und Gemüse rumpeln täglich über Europas Straßen. Stoßsicher verpackt reisen Orangen von Barcelona nach Brüssel und Äpfel von Südtirol nach Kopenhagen. Sollen sie die Reise in Plastik-Mehrweg Steigen oder doch lieber im Wegwerf-Pappkarton antreten?
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Diese Frage kostenbewusst zu beantworten hilft jetzt das Programm „Scope“, das das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund gemeinsam mit der niederländischen Firma Euro Pool System entwickelt hat. Die Software berechnet ob Mehrweg- oder Einweg-Verpackung für Obst und Gemüse preiswerter sind. Dazu summiert sie alle Kosten, die durch die Verpackung entlang einer Lieferkette anfallen und vergleicht sie mit denen eines Mehrwegsystem.
„Wenn sich der Einkäufer z.B. einer Supermarktkette beim Obstbauern nach dem Preis erkundigt, so bekommt er häufig einen Komplettpreis inkl. Verpackung genannt“, erklärt Dipl. Ökonom Wagner vom IML. Gerade bei Obst und Gemüse können die Transportkosten jedoch einen großen Teil der Kosten ausmachen, da der Warenwert nicht sonderlich hoch liegt. „Unsere Software erlaubt es dem Händler herauszufinden, welchen Anteil der Kosten von der Verpackung verursacht wird und was die günstigste Variante ist.“ Die Transportkette selbst wird dazu in 40 Schritte zerlegt vom Abtransport der Früchte auf dem Feld bis zum Regal im Supermarkt. Fragen nach dem Aufwand des Befüllens, Lagerung, Entsorgung bzw. Rückführung kommen dabei genauso zum Tragen, wie ob die Kisten stapelbar sind, wie stabil sie sind, wie häufig Ware beschädigt wird und welches Volumen die Verpackung selbst hat. Außerdem berücksichtigt das Programm Faktoren wie Größe und Anzahl der Verkaufseinheiten, die Auslastung der Transportmittel, sowie Personal- und Lagerkosten. Mit etwa zehn Mausklicks kann der Kunde seine Kosten berechnen – als Basis dienen Datenbanken der IML-Logistiker. Er kann aber auch über hundert Parameter der Software variieren und so die Vorgaben individuell an seine Lieferkette anpassen. "Das Programm ist internetbasiert", betont Wagner. "Der registrierte Kunde hat also jederzeit und überall Zugriff auf Scope und Euro Pool aktualisiert ständig die Daten."
„Wir hoffen so, die Verpackungskosten mehr ins Blickfeld zu rücken, erläutert Wagner die Motivation für das Programm. „Im Moment sind diese Kosten für den Einkäufer meist schlecht einzuschätzen“. Das verstellt den Blick darauf, ob es für den Einkäufer sinnvoll ist, den Obst- und Gemüsebauern ein Mehrwegsystem zur Verfügung zu stellen. „Obwohl Mehrwegverpackungen in der Anschaffung zunächst teurer sind, können sie Kosten sparen, z.B. weil die Lagerhaltung wesentlich einfacher wird, wenn alles Obst und Gemüse in gleichen Steigen angeliefert wird“.
Mehrere Spediteure haben das Angebot bereits genutzt. Nun arbeiten die Wissenschaftler daran, das Programm zu erweitern. "Wir wollen die Lieferkette noch flexibler gestalten. Damit ist eine Anwendung auch für die Distribution anderer frischer Lebensmittel denkbar", sagt Wagner. "Auf Transportgüter in ganz anderen Industriezweigen zielen wir ebenfalls ab." Im kommenden Frühjahr soll es soweit sein, hofft er.
(Fraunhofer-Gesellschaft, 28.11.2004 – Kirsten Achenbach/RCOM)