Die ersten Plattengrenzen der Erde entstanden, weil sich winzige Schäden im Gestein akkumulierten. Aus ihnen bildeten sich dann vor rund drei Milliarden Jahren die ersten Verwerfungen. Das zeigt eine neue Modellsimulation. Sie erklärt auch, warum auf der Venus keine Plattentektonik existiert: Das heißere Gestein heilt zu schnell, die Schäden können sich dadurch nicht ausreichend ansammeln, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Erdbeben, Vulkane, aber auch die Form der heutigen Kontinente und Meere – all dies gäbe es nicht ohne die Plattentektonik, die langsame aber anhaltende Drift der Erdplatten. „Die Entstehung der Plattentektonik war ein entscheidender Moment für die Geschichte unseres Planeten“, erklären David Bercovici von der Yale University in New Haven und Yanick Ricard von der Université de Lyon. Zudem macht sie die Erde einzigartig im Sonnensystem, keiner unserer planetaren Nachbarn besitzt eine vergleichbare Tektonik. Doch wie die Drift der Kontinente einst begann und warum dies nur auf der Erde geschah, ist bis heute rätselhaft.
Modellversuch schließt Lücke
Mineralanalysen zeigen, dass es schon vor rund vier Milliarden Jahren einzelne Bewegungen in der Kruste gab. Eine echte Plattentektonik aber findet sich erst vor rund drei Milliarden Jahren. Was in der Zwischenzeit geschah, blieb ungeklärt. Genau in dieser Lücke setzt die Studie von Bercovici und Ricard an. Mit Hilfe eines simplen Modells versuchten sie zu rekonstruieren, wie Plattengrenzen und Verwerfungen entstanden sein könnten.
Für ihr Modell simulierten sie das Verhalten von Gestein, dass aus zwei Komponenten im Verhältnis 60:40 besteht. Nach gleichem Muster ist auch das häufigste Gestein des Erdmantels aufgebaut, das Peridotit. Dieses Modellgestein betteten die Forscher in eine Schicht aus zähfließendem Material, ähnlich wie die feste Lithosphäre der Erde auf einem „Bett“ aus zähflüssigem Gestein schwimmt. Dann simulierten sie was geschieht, wenn die Matrix unter dem festen Gestein nachgibt stellenweise nachgibt.
In vier Schritten zur Plattengrenze
Schon die ersten Simulationen enthüllten: „Die Schlüssel-Parameter dafür, ob neue Platten entstehen oder nicht, sind die Schäden und die Heilung an den Gesteinskörnern und deren Grenzflächen“, erklären die Forscher. Denn wirkt Druck auf das Gestein ein und verschiebt es sich, entstehen Mikrorisse und andere Schäden. Das hat zunächst keine großen Folgen, wie die Versuche zeigten. Nach einer Weile regeneriert sich die Gesteinsstruktur von selbst. Doch wenn sich dieses Absinken wiederholt, dann reicht die Zeit nicht aus, um die durch die Schäden entstehende Schwächezone zu reparieren.
Ließen die Forscher die zähflüssige Matrix im Modell leicht fließen, so dass sich die Stelle des Absinkens immer ein bisschen verschob, dann reichten vier Schritte aus, um eine Krustenplatte samt umgebenden Plattengrenzen entstehen zu lassen. „Obwohl unser Testfall stark idealisiert ist, demonstriert er, dass eine vollentwickelte Platte aus einem einfachen Absinken entstehen kann“, konstatieren Bercovici und Ricard. Wie sie ermittelten, hätte dieser Prozess bei der jungen Erde einige hundert Millionen Jahre benötigt. Dies erklärt auch die Zeit, die von der ersten Subduktion zur voll ausgebildeten Plattentektonik verging, so die Forscher.
Venus: zu schnelle Heilung
Die Simulation löst aber noch ein Rätsel, denn in ihrem Modell testeten die Forscher auch, was unter Venus-ähnlichen Bedingungen passiert. Dafür erhitzten sie das gesamte Ensemble um 200 bis 400 Grad und ließen den Prozess erneut ablaufen. Wie sich zeigte, bildeten sich dabei zwar leichte Schwächezonen, aber weder eine Platte noch Plattengrenzen.
Ein näherer Blick auf die Parameter enthüllte auch warum: Das heißere Gestein ist flexibler und gleicht Schäden schneller aus. Dadurch können sich die Folgen der aufeinander folgenden Absinkprozesse nicht addieren, die Heilung verläuft einfach zu schnell. „Dieses Ergebnis liefert eine einfache Erklärung, warum die Venus zwar wahrscheinlich simple Subduktionszonen besitzt, aber keine ausgebildete Plattentektonik“, konstatieren die Wissenschaftler. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13072)
(Nature, 07.04.2014 – NPO)