Die Lawinengefahr und das Abschmelzen der Gletscher hängen stark vom Energieaustausch zwischen Bergluft und Schnee ab. Um diesen Prozess besser zu verstehen, sammeln Forschende der ETH Lausanne zurzeit einzigartige Daten auf dem Plaine Morte-Gletscher. Ein präzises Verständnis des Energieaustausches könnte nach Angaben der Forscher zu verbesserten Lawinenwarnungen und Prognosen über die Gletscherschmelze führen.
Wenige Bilder vermitteln stärker den Eindruck von Ruhe als eine tief verschneite Winterlandschaft. Für das menschliche Auge unsichtbar findet jedoch ein dynamischer Austausch von Energie zwischen Luft und Schneedecke statt. Im Januar und Februar 2006 führt ein vom Schweizerischen Nationalfonds unterstütztes Team um Professor Marc Parlange von der ETH Lausanne auf dem Plaine Morte-Gletscher oberhalb von Crans-Montana Messungen des Wärme- und Feuchtetransports in Luftströmungen über Schneeflächen durch. Die im Feld ermittelten Daten dienen dazu, computergestützte Simulationen zu verbessern.
Die Forschenden haben in der Mitte des Plaine Morte Gletschers in knapp 3000 Metern Höhe eine Hightech-Messstation aufgebaut. Das Experiment entspricht einem Windtunnelversuch im Freien. Eine gitterartige Anordnung spezieller Richtmikrofone erfasst Schallwellen, die von winzigen Lautsprechern in die Windströmungen über der geschlossenen Schneedecke geschickt werden. Die auch als Sonic Anemomenter (Schall-Windmesser) bezeichnete Versuchsanlage ermittelt mehrmals pro Sekunde die Geschwindigkeit der Luftströme in drei verschiedenen Richtungen. Mit diesen Daten lassen sich die Windturbulenzen in sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung analysieren.
Dreidimensionales Abbild der Luftströmung
„Wenn der Wind durch unsere Versuchsanordnung bläst, erhalten wir schichtweise Informationen über Temperatur, Feuchte und Windgeschwindigkeiten“, erklärt Parlange. Daraus lässt sich ein dynamisches, dreidimensionales Abbild der Luftströmung berechnen. Die Auswertung der ersten Datensätze zeigt auf, dass sich im Wind regelmäßige Muster bilden, die für den Transport von Energie zwischen kleinen und großen Strukturen der Luftmassen von entscheidender Bedeutung sind. Die Modellierung des Plaine Morte Gletschers ist dabei erst ein Anfang. In einem späteren Schritt sollen auch Hanglagen modelliert werden.