Die Beringstraße gilt als die Hauptwanderungsroute für Menschen, aber auch viele Tierarten, die über die vor Tausenden von Jahren existierende Landbrücke von Asien nach Nordamerika einwanderten. Doch jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden, dass diese Landbrücke rund 1.000 Jahre früher vom steigenden Meeresspiegel geflutet wurde, als bisher angenommen. Diese jetzt in „Geology“ veröffentlichte Erkenntnis könnte neuere Theorie bestärken, nach denen die Besiedelung Nordamerikas möglicherweise auf dem Seeweg stattfand.
{1l}
Bisher war das Wissen um die Klimaveränderungen und die Meeresspiegelbewegungen im arktischen Ozean sehr begrenzt, da die Hauptquelle solcher Erkenntnisse, Sedimentbohrkerne vom Meeresboden, hier nur schwer in geeigneter Form zu finden waren. Die meisten Bohrproben stammten bisher von Orten, an denen sich weniger als ein Zentimeter Sediment pro tausend Jahren abgesetzt hat – zu wenig, um detailliertere Einblicke in die Klimaprozesse zu gewinnen.
Hundertmal mehr Sediment
Jetzt jedoch hat ein Forscherteam um Lloyd Keigwin von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI), Neal Driscoll von der Scripps Institution of Oceanography und Julie Brigham-Grette von der Universität von Massachusetts drei neue Probenstellen nördlich und westlich von Alaska in der Tschuktschensee ausgewertet. Dieses Seegebiet bedeckt heute einen Teil des Kontinentalschelfs, der während der niedrigen Meeresspiegel der letzten Eiszeit, vor rund 20.000 Jahren, unbedeckt war. Mit zunehmender Klimaerwärmung stieg auch der Meeresspiegel wieder an und das Gebiet wurde überflutet und Sedimentation setzte ein.
An diesen Standorten war die Sedimentablagerung mehr als hundertmal höher als an den zuvor in der Arktis bekannten Probenstellen, die „Auflösung“ dieses Klimaarchivs ist daher weitaus besser. Während mehrerer Expeditionen gelang es den Wissenschaftlern, den längsten jemals aus der arktischen See geborgenen Bohrkern zu gewinnen. Die Wissenschaftler analysierten neben physikalischen und chemischen Daten auch die in den Bohrproben gefundenen Foraminiferenschalen, Reste von winzigen Einzellern, die als Indikatoren für Wasser- und Lufttemperaturen zu ihrer Lebenszeit dienen können. Alle Proben wurden zudem mithilfe der Radiokarbonmethode datiert.
Wasser kam tausend Jahre früher
„Obwohl wie nur ein paar Bohrkerne haben, ist dies schon der erste Beweis dafür, dass die Tschuktschensee schon vor 11.000 Jahren, also mindestens tausend Jahre früher als zuvor angenommen, unter Wasser lag“, erklärt Keigwin. „Die neuen Daten stimmen auch mit den Werten anderer Studien überein und zeigen großes Potenzial, uns bei der Rekonstruktion der Klima- und Meeresgeschichte dieser Region zu helfen.“
Mehr Eis als gedacht
Die Bohrkerne aus dieser Region enthüllen, dass die steigenden Meeresspiegel die Beringstraße schon vor 12.000 Jahren begannen zu überfluten. Zugleich weisen sie aber auch daraufhin, dass auch während der Vergletscherung weitaus mehr Eis in der Region vorhanden war, als zuvor gedacht. „Belege einer erhöhten Sedimentationsrate, zusammen mit der Existenz der tiefen Täler, die sich während der Tauperiode in den Kontinentalschelf eingruben, haben uns zu diesem Ergebnis geführt“, so Driscoll. „Das zusätzliche Eis in dieser arktischen Region ist eine wichtige Entdeckung und könnte unser Verständnis der Klimamodelle, Zirkulation und Niederschläge während er Eiszeiten deutlich verbessern.“
Ob und wie das viele Eis und der frühere Wassereinbruch die Wanderung der Menschen und Tiere zwischen Asien und Amerika beeinflusst haben, ist bisher noch unklar. Die neuen Daten scheinen aber Studien zu unterstützen, die auch eine Besiedelung Amerikas auf dem Seeweg nicht ausschließen.
(Woods Hole Oceanographic Institution, 12.10.2006 – NPO)