Archäologie

Bier und Blauschimmelkäse aus der Eisenzeit

Kotreste im Hallstatt-Salzbergwerk belegen Bier- und Käsekonsum schon vor 2.700 Jahren

KOnservierter Kot
In diesem 2.600 Jahre im Salz konservierten Menschenkot sind noch deutlich Reste von Hirse, Gerste und Bohnen erkennbar. Als besonders überraschend aber erwiesen sich Komponenten, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. © Anwora/NHMW

Im Salz konserviert: Schon vor 2.700 Jahren konsumierten Menschen im Alpenraum Bier und Blauschimmelkäse. Das verrät der im Salzbergwerk von Hallstatt in Österreich konservierte Kot der damaligen Minenarbeiter. In den Kotproben haben Forscher die für Bier charakteristischen Hefepilze sowie die Schimmelpilzkulturen des Käses nachgewiesen. Diese Funde sind der früheste Nachweis dieser Lebensmittel im eisenzeitlichen Europa, wie das Team im Fachmagazin „Current Biology“ berichtet.

Käse und Bier sind beides Lebensmittel, die mithilfe spezieller Pilzkulturen entstehen: Beim Bier hilft die Hefe Saccharomyces cerevisiae bei der Fermentation, beim Käse arbeiten je nach Sorte Bakterien und Schimmelpile zusammen, um das reife Produkt entstehen zu lassen. Beide Lebensmittel haben zudem gemeinsam, dass sie schon seit Jahrtausenden vom Menschen hergestellt und konsumiert werden: Das älteste bierähnliche Getränk wurde vor rund 13.000 Jahren im Nahen Osten gebraut, den ältesten Käse haben Archäologen bei einer rund 4.000 Jahre alten Mumie aus der Taklamakan-Wüste entdeckt. Wann sich allerdings Bier und Käse auch in Europa etablierten, war weniger eindeutig.

Hallstatt
Ein Archäologe in einem der Klüfte des Hallstatt-Salzstocks. In den Wänden sind jahrtausendealte Hinterlassenschaften von Bergwerkarbeitern der Bronze- und Eisenzeit erhalten. © D. Brander and H. Reschreiter

Spurensuche im Kot von eisenzeitlichen Salzarbeitern

Jetzt liefert das prähistorische Salzbergwerk Hallstatt in Österreich dazu neue Einblicke. Dort bauten Menschen schon ab 1.500 vor Christus Salz aus den reichen Steinsalzvorkommen ab und gruben sich dabei immer tiefer in den Berg. Weil das Salz selbst empfindliche organische Materialien konserviert und vor dem Zersetztwerden schützt, sind in den prähistorischen Gängen des Salzstocks einzigartige Zeugnisse aus der Bronze- und Eisenzeit erhalten geblieben.

Eine besondere Form dieser Hinterlassenschaften haben nun Frank Maixner vom EURAC-Forschungszentrum in Bozen und seine Kollegen näher untersucht: Den Kot, den die prähistorischen Arbeiter in den Ecken und Gängen des alten Salzbergwerk hinterlassen haben. Für ihre Studie analysierten die Forschenden, welche Nahrungsreste sich in den Kotproben aus der Bronze- und Eisenzeit erhalten haben, aber auch, welche Mikroorganismen aus Nahrung und Darm der Arbeiter sich über DNA-Analysen nachweisen lassen.

„Die Proben, die wir untersucht haben, sind nahezu perfekt konserviert – sie enthalten noch menschliche DNA, zudem DNA von Darmbakterien, sowie auch noch Proteine und Teile der gegessenen Nahrung“, erklärt Maixner.

Bierhefe und Blauschimmel

In einer der Kotproben aus Hallstatt entdeckten die Wissenschaftler Überraschendes. „Wir beobachteten eine außergewöhnlich hohe Konzentration von Proteinen der Pilze Penicillium roqueforti und Saccharomyces cerevisiae“, berichten Meixner und seine Kollegen. Der Schimmelpilz Penicillium roqueforti wird für die Herstellung von Blauschimmelkäse eingesetzt und kultiviert. Die Hefe Saccharomyces cerevisiae spiet eine wichtige Rolle für die Produktion von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränken.

Nähere Analysen ergaben, dass diese Pilze auch in der Eisenzeit offenbar Bestandteil vom Bier und Blauschimmelkäse gewesen sind. „Unsere genomweite Analyse deutet darauf hin, dass beide Pilzarten im Zuge der Fermentation von Nahrungsmitteln gewachsen sind“, berichtet Meisner. „Das liefert den ersten molekularen Beweis dafür, dass Menschen schon im Europa der Eisenzeit Blauschimmelkäse und Bier konsumierten.“

Gezielt kultiviert

Dies wirft die Frage auf, ob die Menschen der Hallstattzeit die Bierhefe und den Schimmelpilz schon gezielt kultivierten und einsetzten oder ob die Fermentation von Bier und Käse eher zufällig durch über die Luft eingetragene Pilzsporen passierte. Um das zu klären, verglichen die Forscher das Erbgut der mikrobiellen Pilze aus dem Hallstatt-Kot mit wilden und domestizierten Stämmen heutiger Vertreter beider Pilzarten.

Dabei zeigte sich: Sowohl die Bierhefe als auch der Schimmelpilz waren keine reine Wildstämme, denn ihr Genom zeigt bereits erste Anzeichen einer gezielten Auslese und Domestikation. Im Falle der Hefe vermuten die Forscher, dass die Menschen damals entweder neue Brauansätze gezielt mit Resten der alten Maische „impften“ oder dass die Fermentationsbehälter immer wieder verwendet wurden, um so die Hefen auf die neuen Ansätze zu übertragen.

Beim Schimmelpilz aus dem Käse fanden sich im Genom ebenfalls Hinweise auf eine gezielte Selektion und Kultivierung. „Dieser Selektionsprozess fand wahrscheinlich im Zuge der Käseherstellung statt“, erklären Meixner und sein Team. Dabei wurden Kulturen mit gutem Ergebnis weiterverwendet, andere dagegen verworfen.

Lagerung im Salzbergwerk

Interessant auch: Einiges spricht dafür, dass Bier und Blauschimmelkäse damals direkt im Salzbergwerk von Hallstatt produziert wurden. Denn mit konstanten Temperaturen um acht Grad, einem hohen Salzgehalt der Luft und reichlich Feuchtigkeit waren die Bedingungen nahezu perfekt für die Lagerung von reifendem Käse und Bier. „Diese Ergebnisse werfen damit ein neues Licht auf die kulinarischen Praktiken der prähistorischen Salzarbeiter und allgemein der damaligen Zeit“, sagt Koautorin Kerstin Kowarik vom Naturhistorischen Museum Wien.

„Es wird immer deutlicher, dass die prähistorischen Techniken der Nahrungsmittelproduktion nicht nur fortgeschritten waren, sondern dass die Menschen damals auch schon komplexe, verarbeitete Lebensmittel herstellten und die Techniken der Fermentation beherrschten“, so Kowarik weiter. (Current Biology, 2021; doi: 10.1016/j.cub.2021.09.031)

Quelle: Cell Press

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