Algen, Mikropilze, Cyanobakterien, Flechten und Moose – die scheinbar leblosen Wüstenböden sind häufig von einem dichten Geflecht aus Mikroorganismen bevölkert. Neueste Untersuchungen in der Negev-Wüste in Israel haben nun gezeigt, dass diese so genannten biologischen Krusten eine bedeutende Quelle für den Stickstoffeintrag in Sandböden der Trockenregionen sind. Zudem verkleben sie die einzelnen Sandkörner durch Zucker und andere organische Verbindungen so stark miteinander, dass sie die geschlossene Sandoberfläche vor Winderosion schützen.
Wüsten – jeder denkt automatisch an endlose Weiten aus Sand, Geröll und trockenem Staub. Doch was auf den ersten Blick wie lebloser Boden aussieht, ist in Wirklichkeit häufig von einer biologischen Oberflächenkruste bedeckt. Diese besteht zunächst aus Cyanobakterien und Grünalgen, später auch aus Flechten, Moosen und Pilzen. Bereits 0,1 Millimeter Niederschlag durch nächtliche Taubildung reichen beispielsweise aus, um die Stoffwechselprozesse der Flechten in Gang zu setzen. Mithilfe der Feuchtigkeit können sie für ein bis zwei Stunden nach Sonnenaufgang Photosynthese betreiben, bevor sie wieder erneut austrocknen. Auf diese Weise erreichen die Krusten im Laufe der Zeit eine Mächtigkeit von einem Millimeter bis zu mehreren Zentimetern und tragen durch die Anreicherung von abgestorbenem organischem Material zur Bodenbildung bei.
Stickstoffsammler und „Sandkleber“
Untersuchungen von Sanddünen in der Negev-Wüste durch Wissenschaftler der Abteilung Ökologie der Universität Bielefeld, des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) sowie der Hebräischen Universität Jerusalem haben nun gezeigt, dass die biologischen Krusten eine weitaus größere Rolle im Ökosystem Wüste spielen, als bislang angenommen. Denn Trockengebiete sind in der Regel nicht nur arm an Niederschlägen sondern auch arm an Nährstoffen, wie beispielsweise Stickstoff. Cyanobakterien jedoch, die freilebend oder als Symbionten der Bodenflechten in der Kruste vorkommen, fungieren als regelrechte Nährstoffsammler: sie binden den wertvollen Stickstoff aus der Luft und fixieren ihn dadurch im Boden.
„Die jährlichen Einträge dieser biologischen Stickstoffsammlung bewegen sich in den Sanddünen in einer Größenordnung von sieben bis zwölf Kilogramm Stickstoff pro Hektar“, erklärt Maik Veste von der Universität Hohenheim, der maßgeblich an den Forschungsarbeiten in der Negev-Wüste beteiligt ist. Dies ist rund drei- bis fünfmal so viel, wie aus den Einträgen durch Staubverwehungen stammen. Als Nebenprodukt scheiden die Cyanobakterien zudem Zucker und andere organische Verbindungen aus. „Diese verkleben die Sandkörner miteinander, so dass eine geschlossene Sandoberfläche entsteht, die den Boden vor der Winderosion schützt“, erläutert Veste die ökologische Bedeutung der Krusten.
Vegetation trotz geringem Niederschlag
Darüber hinaus greifen die Krusten aber auch in den Wasserhaushalt der Wüste ein. Denn nach Regenfällen quellen die organischen Komponenten in den biologischen Krusten auf und verschließen dadurch die Poren im Boden. Das Wasser versickert wesentlich langsamer im Sand, was Oberflächenabflüsse entlang der Hänge und die Ansammlung der Feuchtigkeit am Dünenfuß zur Folge hat. Dort lässt sich daher auch eine höhere Vegetationsdichte auf Grund der besseren Wasserversorgung feststellen.
Diese Eigenschaften der biologischen Krusten können nicht nur lokal sondern auch großräumig die Vegetation und Biomasseproduktion beeinflussen. In Trockengebieten mit wenig Regen ist normalerweise auch eine geringere pflanzliche Produktivität zu erwarten. „Aber diese Änderungen in der Vegetation können durch chemische, physikalische und biologische Bodeneigenschaften so modifiziert werden, dass trotz der Abnahme von Niederschlägen die Produktivität im Sanddünenökosystem sogar ansteigt“ so Veste.
Auf den ersten Blick scheint dies ein ökologischer Widerspruch zu sein. Doch Aaron Yair, Geomorphologe an der Hebräischen Universität Jerusalem, erklärt dies mit Bodeneigenschaften, die dem klimatischen Niederschlagsgradienten gegenläufig sind. So bilden sich beispielsweise auf den Sanddünen der semi-ariden Regionen Moos-Krusten aus. Diese saugen das Niederschlagswasser förmlich auf und vermindern so das Wasserangebot für andere Pflanzen. In den ariden Sanddünen hingegen dringt das Wasser aufgrund der dünnen Krusten und krustenfreien Bereiche wesentlich tiefer in den Sand ein und steht so den anderen Pflanzen auch in Trockenzeiten zur Verfügung.
Dieses Beispiel macht die Bedeutung der Oberflächeneigenschaften für die Wasserverfügbarkeit in den Wüsten deutlich. Ein wichtiger ökologischer Aspekt, der auch für den Globalen Klimawandel und dessen Rückkopplungen auf die Vegetation an den Wüstenrändern von großer Bedeutung sein wird.
(Maik Veste / Universität Hohenheim, 16.05.2006 – AHE)