Der Anfang ist gemacht: Nahe dem kältesten Ort der Erde haben Forschende nun mit den Eisbohrungen für ein besonderes Projekt begonnen – der Suche nach dem ältesten Eis der Erde. Nach Aufbau der Bohranlage auf dem Eisschild der Ostantarktis hat das Team von „Beyond EPICA“ bereits erste Eisbohrkerne aus bis zu 130 Meter Tiefe gewonnen. Ziel ist es, im Verlauf der nächsten Jahre bis zu 1,5 Millionen Jahre altes Eis zu erbohren – und damit ein wertvolles Archiv der irdischen Klimageschichte.
Die Eisschichten der irdischen Gletscher und Eisschilde sind Zeitzeugen der Vergangenheit. Denn in dem Eis sind Gase und Teilchen eingeschlossen und konserviert, die Auskunft über die Klima- und Umweltbedingungen zu seiner Entstehungszeit geben. Beste Voraussetzungen für möglichst altes Eis bietet dabei der kilometerdicke Eisschild der Antarktis. Dort hatten Forschende im Projekt EPICA bereits 2006 einen fast 900.000 Jahre alten Eisbohrkern zutage gefördert.
Bohrarbeiten bei minus 40 Grad
Jetzt hat das Nachfolgeprojekt Beyond EPICA begonnen, das Eis aus der Zeit vor 1,5 Millionen Jahren erbohren soll. Seit November 2021 hat dafür ein internationales Team eine Bohrstation nahe dem kältesten Ort der Antarktis errichtet – am Dome C auf dem ostantarktischen Plateau. Dort ist das Eis auch in großer Tiefe so sauber geschichtet, dass es wertvolle Ergebnisse liefern kann. Gleichzeitig sind die Bedingungen auf 3.233 Meter Höhe und bei durchschnittlichen Sommertemperaturen von fast immer unter minus 40 Grad Celsius extrem.
„Während unseres vorherigen EPICA-Projekts, das 2008 endete, gelang es uns, einen 800.000 Jahre alten Eiskern zu gewinnen und zu analysieren. Jetzt versuchen wir, noch weiter in der Zeit zurückzureisen: Denn wenn wir eine korrekte Perspektive auf den aktuellen Klimawandel in der Welt gewinnen und geeignete Strategien zur Abschwächung des Klimawandels entwickeln wollen, müssen wir noch weiter zurückblicken – und das versuchen wir in der Antarktis mit Beyond EPICA“, sagt Projektkoordinator Carlo Barbante von der Universität Ca‘ Foscari in Venedig.
Erste Bohrkerne aus bis zu 130 Meter Tiefe
Trotz dieser Härten haben die Wissenschaftler inzwischen das Lager für die Bohrstelle eingerichtet und das komplexe Bohrsystem installiert, das dies kontaminationsfreie Gewinnung der Eisbohrkerne erlauben soll. „Wir bestücken die obersten 120 Meter mit Fiberglasrohren. Diese Ummantelung nutzen wir als Ausgangspunkt für die eigentliche Tiefbohrung“, erklärt Frank Wilhelms vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
Auch einen ersten Bohrkern haben die Forschenden schon gewonnen. Er reicht bis in eine Tiefe von 130 Metern und umfasst damit Eis aus den letzten 3.000 Jahren. Die am Dome C geförderten Eisbohrkerne werden derzeit in der rund 40 Kilometern entfernten italienisch-französischen Concordia-Station auf dem ostantarktischen Plateau gelagert. Später soll ein Lager vor Ort die Bohrkerne aufnehmen. „Wir sind mit den bisherigen Arbeiten sehr zufrieden. In der nächsten Kampagne werden wir das Bohrsystem abschließend testen und dann zügig mit den Tiefbohrungen fortfahren“, sagt Barbante.
Erste Analysedaten für 2025 erwartet
In den kommenden drei antarktischen Sommern, jeweils von Mitte November bis Anfang Februar, wird das Team von Beyond EPICA Bohrungen durchführen, bis es in einer Tiefe von etwa 2.500 Metern auf Eis trifft, das bis zu 1,5 Millionen Jahre alt ist. Das Eis enthält Luftbläschen, aus denen die Forschenden den Gehalt von Treibhausgasen wie Methan und Kohlendioxid in der Atmosphäre sowie die Entwicklung der Temperaturen der Vergangenheit bestimmen können. Im Jahr 2025 sollen die ersten Daten der Bohrkern-Analysen vorliegen.
„Wir glauben, dass dieser Eiskern uns Informationen über das Klima der Vergangenheit und über die Treibhausgase in der Atmosphäre während des mittelpleistozänen Übergangs vor 900.000 bis 1,2 Millionen Jahren liefern wird“, sagt Barbante. „Während dieses Übergangs änderte sich die Periodizität des Klimas zwischen den Eiszeiten von 41.000 auf 100.000 Jahre: Der Grund, warum dies geschah, ist das Rätsel, das wir zu lösen hoffen.“
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung