Archäologie

Cannabis im Nomadengrab

Hanf diente schon vor 2.500 Jahren in Zentralasien rituellen Zwecken

Schon vor 2.500 Jahren scheint Cannabis für die Kulturen Zentralasiens eine große Bedeutung gehabt zu haben, dafür sprechen Hanfpflanzen und -blüten als Grabbeigaben. © gemeinfrei

Grabtuch aus Hanfpflanzen: Im Nordwesten Chinas haben Archäologen ein Grab mit ungewöhnlicher Ausstattung entdeckt. Denn der vor gut 2.500 Jahren gestorbene Tote war mit einer Decke aus 13 Cannabis-Pflanzen zugedeckt. In benachbarten Gräbern fanden sich auch Hanfblüten. Nach Ansicht der Forscher sprechen diese Funde dafür, dass Cannabis in Zentralasien bereits damals für rituelle und medizinische Zwecke genutzt wurde.

Die Turfan-Oase im Nordwesten Chinas ist heute vor allem wegen ihrer einstigen Lage an der Seidenstraße bekannt. Doch schon viel früher, vor rund 3.000 Jahren, war dieser von Steppe und Wüste umgebene Ort ein wichtiges Kulturzentrum für das halbnomadische Reitervolk der Subeixi oder Gushi. Sie hinterließen Reste von Gebäuden und vor allem mehrere Nekropolen – frühe Begräbnisstätten.

Bereits 2014 entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen in Turfan in einem der Gräber die älteste Hose der Welt, aber auch Zaumzeug, Waffen und Tierknochen.

Kissen aus Gras, Decke aus Hanf

Jetzt haben Hongen Jiang von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen in einem Grab des Jiayi-Friedhofs einen weiteren, ungewöhnlichen Fund gemacht. In Grab M231 lagen die Überreste eines etwa 35-jährigen Mannes. Sein Kopf war sorgsam auf einem Kissen aus Gräsern gebettet, um seinen Körper herum standen tönerne Gefäße aufgereiht.

Blick in das Grab M231. Die Hanfpflanzen liegen schräg über dem Oberkörper des Toten. © Jiang et al./ Economic Botany

Überraschend aber war die Bedeckung des Toten: „13 nahezu vollständige Cannabispflanzen waren schräg über den Körper des Toten drapiert“, berichten die Archäologen. „Die Wurzeln und Stiele waren im Beckenbereich des Toten gebündelt.“ Die Spitzen der weiblichen Hanfpflanzen mit noch unreifen Früchten ragten bis zum Gesicht des Toten hinauf. Datierungen ergaben, dass Grab und Inhalt zwischen 2.800 und 2.400 Jahre alt sind.

Fokus auf Blüten und Samen

Welche Rolle aber spielte der Hanf für die Menschen dieser alten Kultur? Rein theoretisch könnte Hanf auch zur Herstellung von Seilen oder Stoffen genutzt worden sein. Doch die Tatsache, dass bisher keine solchen Hanfobjekte gefunden wurden, spricht nach Ansicht der Forscher dagegen.

In anderen Gräbern in der Turfan-Oase wurden zudem Gefäße nur mit Hanfblüten gefunden – was darauf hindeutet, dass die Blüten und Samen für diese Menschen wichtig waren, nicht unbedingt die Fasern dieser Pflanzen. Und noch etwas kommt hinzu: Untersuchungen der in den Gräbern gefundenen Hanfpflanzen ergaben einen relativ hohen Cannabinol-Gehalt. Dieser Inhaltsstoff ist ein Abbauprodukt des psychoaktiven Cannabis-Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC).

Nutzung für Ritual oder Medizin

„Dies spricht dafür, dass Cannabis von diesen zentralasiatischen Kulturen bereits im ersten Jahrtausend vor Christus zu rituellen und/oder medizinischen Zwecken genutzt wurde“, konstatieren Jiang und seine Kollegen. „Diese einzigartige Entdeckung gibt uns damit neue Einblicke in die rituelle Nutzung von Cannabis im prähistorischen Zentralasien.“

Gestützt wird dies von Cannabisfunden auch in bronzezeitlichen Gräbern der Altai-Region, wo damals ebenfalls eine halbnomadische Steppenkultur lebte. In einem dieser Gräber lag eine an Brustkrebs gestorbene Frau, der ebenfalls Cannabis mit ins Grab gegeben worden war – möglicherweise nahm sie es zu Lebzeiten gegen die Schmerzen. (Economic Botany, 2016; doi: 10.1007/s12231-016-9351-1)

(Livescience/ Economic Botany, 26.10.2016 – NPO)

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