Bisher glaubte man, große Schluchten und Canyons entstünden nur allmählich, im Laufe von Millionen Jahren. Doch dass es auch sehr viel schneller geht, haben jetzt amerikanische Forscher festgestellt. Wie sie in „Nature Geoscience“ berichten, kerbte eine Sturzflut in Texas einen sieben Meter tiefen und mehr als zwei Kilometer langen Canyon innerhalb von nur drei Tagen ein. Diese Erkenntnis liefert auch neue Impulse für die Interpretation von Canyonformationen auf unserem Nachbarplaneten Mars.
Im Sommer 2002 sorgte eine Woche extrem starker Regenfälle im Mitteltexas für eine Beinahe-Katastrophe: Der Canyon-Lake, ein Stausee nahe der Stadt San Antonio, drohte seinen Damm zu sprengen. Als Notfallmaßnahme veranlassten die Verantwortlichen daraufhin ein kontrolliertes Überlaufen, wodurch das Tal des Guadeloupe River von Wassermassen überschwemmt wurde. Die Kraft des Wassers riss Bäume, Buschland und Böden mit sich zerstörte eine Brücke und grub einen 2,2 Kilometer langen und sieben Meter tiefen Canyon in das massive Gestein des Untergrunds.
Und genau dieser Canyon sorgte für Erstaunen unter Geologen. Denn traditionellerweise gelten Flusscanyons wie beispielsweise der Grand Canyon als Produkt einer Millionen Jahre dauernden allmählichen Erosion. Zwar gibt es Ausnahmen, doch über diese weiß man nur wenig.
Megafluten ohne Zeugen
„Wir wissen, dass einige große Canyons im Laufe der Erdgeschichte durch katastrophale Ereignisse entstanden sind“, erklärt Michael Lamb, Assistenzprofessor für Geologie am California Institute of Technology (Caltech). „Solche Ereignisse hinterlassen normalerweise verräterische Anzeichen, die sie von den langsameren Ereignissen unterscheiden. Doch es gibt sehr wenig moderne Beispiele für solche Megafluten und diese Ereignisse hatten keine Zeugen, so dass der Prozess, wie diese Erosion funktioniert, nicht gut verstanden ist.“
Gemeinsam mit seinem Kollegen Mark Fonstad von der Texas State Universität haben sie die jüngsten Ereignisse am Canyon Lake analysiert und in ihnen einen Beleg dafür entdeckt, dass tiefe Canyons weitaus schneller entstehen können als bisher angenommen. Sie nutzten für ihre Untersuchung sowohl Luftaufnahmen vor- und nach der Flut als auch Felddaten zur Topographie und zu den abfließenden Wassermengen, sowie ein Modell der Sediment-Transport-Kapazität der Flut.
Canyonbildung in nur drei Tagen
Die Analyse enthüllte, dass die Erosionsrate bei der Canyonentstehung so hoch war, dass sie nur die Transportkapazität des Wassers begrenzt wurde. Nicht aber, wie bisherigen Modelle annahmen, von der Stabilität und Bruchfestigkeit des unterliegenden Gesteins. „Die Wassermassen strömten über mehrere Wochen hinweg, aber der höchste Abfluss – währenddessen ein Großteil der Erosion stattfand – ereignete sich nur über einen Zeitraum von drei Tagen“, erklärt Lamb.
Nach Ansicht der Forscher war die hohe Erosionsrate deshalb möglich, weil die Flut massive Felsbrocken mitriss. Dieses so genannte „plucking“ löste wiederum Wasserfälle von zehn bis zwölf Metern Höhe aus, die sich über Kanäle und Terrassen in tiefer gelegenen Gebiete ergossen und stark erodierend wirkten. Das Herausreißen so großer Brocken wiederum gelang nur weil das Untergrundgestein schon vorher brüchig und teilweise zerbrochen war.
Sedimentinseln wie in vielen Marscanyons
Die heftigen Wasserströme kerbten nicht nur den Canyon ein, sie hinterließen auch spezifische Phänomene wie skulpturierte Wände, Tümpel am Fuß von Wasserfällen und tropfenförmige Sedimentinseln. Vor allem letztere sind nach Meinung von Lamb signifikant, da Ähnliches auch auf dem Mars zu sehen ist. „Dies sind Strukturen, die wir auch auf dem Mars dort finden, wo sich früher vielleicht katastrophale Fluten ereigneten. Es ist gut, dass wir jetzt genau diese Strukturen hier tatsächlich sehen, die wir anderswo oft als mögliche Belege für solche Flutereignisse interpretiert haben.“
Die Ergebnisse liefern nützliche Einblicke auch in frühere Megafluten, sowohl auf der Erde wie auch auf dem Mars, und in die Canyons, die diese Ereignisse hinterließen. „Wir versuchen Modelle der Erosionsraten zu entwickeln, so dass wir dann an Orte wie den Mars gehen können und quantitative Rekonstruktionen erstellen können, die uns sagen, wie viel Wasser dort war, wie lange es dauerte und wie schnell es sich bewegte“, erklärt Lamb. „Dies hier ist einer der wenigen Orte, an dem solche Modelle für die Canyonbildung getestet werden können, da wir nun die Bedingungen kennen, unter denen dieser Canyon entstand.
(California Institute of Technology (Caltech), 21.06.2010 – NPO)