Eine besondere Art der Anpassung haben Bakterien entwickelt, die auf gegenüberliegenden Seiten eines Canyons in Israel leben. Die komplexen Strukturen ihrer Zellwand sind so verändert, dass sie entweder die Hitze an der Südwand oder aber die kühleren Bedingungen der Nordwand optimal abpuffern können. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Microbiology“ veröffentlichte Studie könnte auch Impulse für eine neue methodische Herangehensweise in der Evolutionsbiologie geben.
„Evolution-Canyon” 1 und 2 – so der beziehungsreiche Name von zwei tief eingeschnittenen Schluchten in Israel. Beide sind so ausgerichtet, dass eine Canyonwand nach Süden, die andere nach Norden zeigt. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Bedingungen: Die trockene Südwand erhält achtmal mehr Sonneneinstrahlung als die schattige, grün bewachsene Nordwand. Beide Wände sind mit diversen Kolonien von Bacillus simplex besiedelt, die je nach Standort spezifische Anpassungen an ihre jeweils leicht unterschiedlichen Bedingungen entwickelt haben.
Genetik allein reicht nicht
Um herauszufinden, wie diese Anpassungen genau aussehen und welche ökologischen Subtypen sich entwickelt haben, sammelten Wissenschaftler der Universität von Haifa und der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) 131 Proben verschiedener Kolonien und untersuchten sowohl deren genetische Ausstattung als auch die Morphologie der Mikroben.
„Wir haben erwartet, dass die Ökotyp-Bildung mit der Temperatur zusammenhing, aber wir hatten keine Ahnung, welche spezifischen Zellbestandteile mit dieser Anpassung verbunden sind”, erklärt Johannes Sikorski von der Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ), einer der an der Studie beteiligten Forscher. „Um dies herauszufinden, mussten wir neben den Genen auch ihr Aussehen selbst untersuchen.”
In vielen Studien zur Evolutionsbiologie konzentrieren sich die Forscher heute allein auf genetische Daten. Doch für Sikorski und seine Kollegen war klar, dass dies nicht reicht. Sie wollten auch das Ergebnis der genetischen Veränderungen mit erfassen. „Es ist zwar keine ‚sexy‘ Technologie wie Genomik oder Proteomik, aber es liefert einen umfassenden Einblick in das Resultat der Anpassungen“, so der Wissenschaftler.
Fettsäuren in der Zellmembran verändert
Bei ihrer Analyse stießen die Forscher auf signifikante Unterschiede in der Zellmembran der Mikroben beider Canyonwände. Membranen gehören zu den komplexesten Bestandteilen einer Zelle. Sie können unterschiedliche Fettsäuremoleküle enthalten, deren Verzweigung unter anderem ihre Eigenschaften bei verschiedenen Temperaturen bestimmt. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass auch die an verschiedenen Stellen der Canyonwände gesammelten Bacillus simplex-Typen sich in ihrer Fettsäuren-Zusammensetzung unterschieden.
„Bakterien reagieren auf Temperatur indem sie die Zusammensetzung ihrer Fettsäuren grundlegend und langfristig ändern“, so Sikorski. „Wir haben festgestellt, dass die ‚afrikanischen‘ Subtypen von den heißen Wänden mehr hitzetolerante Fettsäuren in ihren Membranen aufwiesen und die ‚europäischen‘ von den Nordwänden mehr kältetolerante Fettsäuren.“ Für die Forscher ist dies nicht nur ein interessanter Einblick in die Mechanismen der Anpassung und Evolution, sondern auch der Beleg dafür, dass die Kombination aus genetischen und morphologischen Studien lohnend sein kann.
(Society for General Microbiology, 28.07.2008 – NPO)