Bakterien fürs Monitoring: Weltweit erproben Forscher derzeit unterirdische CO2-Speicher –Lager für das Treibhausgas, die nicht ohne Risiken sind. Die Beobachtung winziger Mikroben aber könnte solche Reservoire sicherer machen, sagen Wissenschaftler. Demnach zeigen Bakterien und andere Organismen bereits frühzeitig an, wenn aus einem Leck in der Umgebung Kohlendioxid austritt. Und: Sie können das unerwünschte Gas in Treibstoff oder andere nützliche Stoffe umwandeln.
Angesichts der zögerlichen Fortschritte im weltweiten Klimaschutz plädieren immer mehr Forscher dafür, das klimaschädliche Treibhausgas CO2 auch durch technische Lösungen aus der Atmosphäre zu schaffen – zum Beispiel mithilfe des sogenannten Carbon Capture and Storage (CCS). Die Idee hinter dieser Technologie: Das Kohlendioxid wird aus Abgasen oder der Luft isoliert und tief im Untergrund gelagert.
Lecks als potenzielles Risiko
In Hohlräumen ausgedienter Gas- und Erdöllagerstätten oder anderer unterirdischer Speicher, die durch eine undurchlässige Bodenschicht abgedichtet sind, soll das Treibhausgas dem Klima nicht mehr schaden können. Doch wie sicher die Methode ist, ist umstritten: „Zu den größten Sorgen gehören die Folgen für Mensch und Umwelt, sollten Risse oder Lecks entstehen, die die Reservoire undicht machen“, sagt Natalie Hicks von der Scottish Association for Marine Science in Oban.
Um mögliche Lecks frühzeitig erkennen zu können, müssen die geologischen Speicher kontinuierlich überwacht werden. Üblicherweise geschieht dies, indem CO2-Konzentrationen gemessen werden. Das aber ist nicht die einzige Möglichkeit, wie Hicks und ihre Kollegen nun postulieren. Die Forscher glauben: Auch Mikroben könnten künftig beim Monitoring von CCS-Lagern helfen – und dabei sogar noch einen praktischen Zusatznutzen erbringen.
Mikroben zeigen CO2-Austritt an
Ihr Ansatz: Bakterien und Archaeen reagieren besonders sensibel auf Umweltveränderungen. Demnach sollte es möglich sein, potentielle Lecks zu registrieren, indem man untersucht, welche dieser winzigen Organismen in Sedimenten oberhalb der Lagerstätten leben. Verändert sich die mikrobielle Lebensgemeinschaft, kann das den Wissenschaftlern zufolge ein deutlicher Hinweis auf einen CO2-Austritt sein.
Das habe erst kürzlich ein Experiment vor der Westküste Schottlands gezeigt: Dafür hatten Forscher in einem Reservoir unter dem Meeresgrund ein Leck simuliert. Das Ergebnis: Noch bevor andere Organismen sichtbar betroffen waren, veränderte sich die Mikrobengemeinschaft rund um das unterirdische Lager messbar – und fungierte auf diese Weise sozusagen als Frühwarnsystem.
Nützliche Umwandlung
Die winzigen Organismen sind jedoch nicht nur verlässliche Anzeiger für Störfälle. Sie können aus dem weggesperrten CO2 auch nützliche Stoffe produzieren, wie Hicks und ihre Kollegen berichten. Schon seit Langem ist bekannt, dass Bakterien im Zuge von Stoffwechselprozessen Kohlendioxid binden. Erst in den vergangenen Jahren haben Forscher aber herausgefunden, dass die Mikroben das Treibhausgas dabei in Chemikalien wie Ethanol, Acetat, Aceton, Laktat oder Methan verwandeln können.
„Solche Stoffwechselwege kennen wir inzwischen von einem großen Teil des prokaryotischen Stammbaums und wir glauben, dass es sogar noch mehr solcher Prozesse gibt, die noch nicht entdeckt worden sind“, sagt Unni Vik von der University of Norway.
Aus Treibhausgas wird Zucker
Statt das CO2 in Zukunft lediglich im Boden zu speichern, könnte es demnach weiter verwertet werden – zum Beispiel für die Produktion von Treibstoffen oder anderen Produkten für industrielle Zwecke. Dafür könnte die Mikrobengemeinschaft rund um CCS- Reservoire gezielt so verändert werden, dass das eingelagerte Kohlendioxid umgewandelt wird.
Womöglich, so Hicks und ihre Kollegen, könnten bestimmte Bakterienarten synthetisch sogar so modifiziert werden, dass sie nur einen bestimmten erwünschten Stoff produzieren. So ist es Wissenschaftlern vor Kurzem gelungen, das Bakterium Escherichia coli darauf zu programmieren, aus dem Treibhausgas Zucker zu gewinnen.
Mehr Forschung nötig
Bevor das möglich wird, ist den Wissenschaftlern zufolge jedoch weitere Forschung nötig. Es gelte zum Beispiel, genauer zu ergründen, wie Mikroben im Detail auf Fluktuationen der CO2-Konzentration reagieren und wie man geringe Schwankungen in der Zusammensetzung der verräterischen Gemeinschaften effektiv analysieren kann.
Doch die Forschung lohne sich, glaubt Hicks Team. Der Einsatz von CO2-Speichern jenseits von Demonstrationsprojekten sei zwar noch keine Realität: „Man muss zwischen den Risiken und der Notwendigkeit, das CO2 in den Griff zu bekommen, abwägen. Doch um die großen Probleme wie Ozeanversauerung und Erderwärmung loszuwerden, sind solche Technologien vielleicht die einzige Lösung“, schließen die Wissenschaftler. (Trends in Biotechnology, 2016; doi: 10.1016/j.tibtech.2016.06.011)
(Scottish Association for Marine Science/ University of Norway, 05.10.2016 – DAL)