Nordlicht, Aurora borealis, Polarlicht – die geheimnisvollen Lichterscheinungen des Nordens haben zwar längst ihre mystische Aura verloren, doch auch heute noch geben sie der Wissenschaft so manche Rätsel auf.
Bis zu 240 Nächte im Jahr können die Bewohner des so genannten „Polarlichtovals“ das Himmelsschauspiel bewundern: Grüne Lichtbänder, manchmal auch rot oder mit irgendeiner Farbe dazwischen, wabern wie ein Nebel nachts über den sternenklaren Himmel. Ähnlich einem Wetterleuchten in den Bergen geschieht dies völlig geräuschlos – allerdings stehen Polarlichter bisweilen mehrere Minuten völlig regungslos am Firmament. Zeit genug, atemlos ihre Schönheit zu bestaunen oder über ihre Entstehung nachzudenken. Wie also kommt es nun zu diesen bizarren Himmelslichtern?
Mystische Boten
Bereits in den frühen Sagen und Mythen der Nordlandbewohner werden die Polarlichter als Sendboten längst verstorbener Vorfahren oder der im Kampf gefallenen Krieger beschrieben. Noch im Mittelalter galt das Nordlicht als Zeichen Gottes, das zur Umkehr mahnte, und selbst in unserem Jahrhundert sehen viele Menschen in dem Himmelsschauspiel ein Menetekel, einen Vorboten von Unheil und Krieg. Galileo Galilei, selbst fasziniert von den Himmelslichtern, prägte einst den optischen Vergleich mit der Morgenröte, heute noch im wissenschaftlichen Namen „Aurora borealis“ verewigt.
Wenn auch die Polarlichter seit Menschengedenken beobachtet wurden, so blieb ihre wissenschaftliche Ursache doch lange Zeit im Dunkeln verborgen. Zunächst hatte man vermutet, dass die Lichtbänder durch Streuung oder Spiegelung des Sonnenlichts an Wolken, Eiskristallen oder atmosphärischen Gasen entstehen. Erst im Zusammenhang mit der Erforschung der Kometen und dem Phänomen des Kometenschweifs kamen Forscher der Erklärung auf die Spur: Die Sonne strahlt nicht nur Licht und Wärme ab, von ihr geht auch ein unablässiger Strom elektrisch geladener Teilchen aus, der so genannte Sonnenwind.
Erde unter Beschuss
Mit Geschwindigkeiten zwischen 300 und 800 Kilometern pro Sekunde schießen die geladenen Teilchen als kontinuierlicher Strom durch das All. Erreicht dieser Sonnenwind die Erde, dringen die Teilchen nicht zur Erdoberfläche durch, sondern werden vom Magnetfeld unseres Planeten abgelenkt. Die Wucht des Sonnenwindes ist allerdings so stark, dass es das irdische Magnetfeld regelrecht verformt: Auf der sonnenzugewandten Erdseite wird es zusammengestaucht, auf der anderen Seite hingegen bilden die Feldlinien eine Art Schweif hinter der Erde. Trotzdem schützen die symmetrisch verlaufenden Magnetlinien die Erde wie eine Art Faradayscher Käfig vor der gefährlichen Strahlung – allerdings nicht vollständig.
Die eigentliche Schwachstelle für den Sonnenwind bilden die Pole. Hier strömen die Feldlinien senkrecht aus und in die Erde hinein. Treffen nun die geladenen Teilchen an diesen Stellen auf die Magnetosphäre, so können sie entlang der Magnetfeldlinien in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangen. Spätestens 100 Kilometer über der Erdoberfläche ist es dann soweit: Sie kollidieren mit den Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen der Luft. Die dabei freiwerdende Energie wird als Licht unterschiedlicher Wellenlänge abgestrahlt –Sauerstoffatome erzeugen grünes und rotes, Stickstoffatome blaues und violettes Licht.
Leuchtendes Mitteleuropa
Obwohl das Polarlicht am häufigsten in einem ungefähr 400 Kilometer breiten Streifen rund um die Pole auftritt, kann es auch in Mitteleuropa beobachtet werden – statistisch gesehen mit einer Häufigkeit von ein bis drei Nächten im Jahr. Das geschieht dann, wenn sich in Zeiten erhöhter Sonnenaktivität das Magnetfeld der Erde unter dem Ansturm der geladenen Teilchen besonders stark verformt. Nur dann können Sonnenwindteilchen auch in den gemäßigten Breiten in die Atmosphäre eindringen.
Normalerweise jedoch reicht die Zone der Polarlichter im Norden von Nordskandinavien bis nach Alaska. Im Süden hingegen verläuft sie teils über dem Südpolarmeer und teils über der unbewohnten Antarktis, weshalb das Phänomen der „Aurora australis“, des Südlichts, weit weniger bekannt ist als seine nördliche Variante „Aurora borealis“.
Knisternde Lichtbänder
Nach wie vor ist übrigens umstritten, ob Polarlichter ein rein optisches Phänomen sind: Denn immer wieder berichten Augenzeugen, sie hätten während eines Nordlichts auch Geräusche gehört. Für die Wissenschaftler bleibt dies ein Rätsel, da die dünne Luft der Ionospäre, in der die Aurora entsteht, keine Schallwellen leitet. Außerdem würde der Schall aufgrund der Entfernung mehrere Minuten brauchen, um überhaupt die Erdoberfläche zu erreichen.
Manche Forscher vermuten, dass die Geräusche nicht direkt durch das Polarlicht sondern vielmehr durch das Auftreffen elektromagnetischen Wellen des Polarlichts auf den Erdboden hervorgerufen werden. Andere wiederum glauben, das Gehirn sei selbst für die Töne verantwortlich, indem es die elektromagnetischen Wellen der Aurora direkt in Schall umwandle. Wie und wann auch immer dieses Rätsel gelüftet wird, faszinierend und geheimnisvoll bleiben die Polarlichter auch ohne Geräusche.
(AWI/NASA/g-o.de, 26.04.2005 – AHE)