Am 15. September haben die Vereinten Nationen die neuesten Daten zur globalen Bevölkerungsentwicklung veröffentlicht: Heute leben rund 6,4 Milliarden Menschen auf der Erde, im Jahr 2050 werden es 8,9 Milliarden Menschen sein. Ein Projekt der Universität Franfurt Main untersucht die demographischen Entwicklungen jetzt interdisziplinär und aus soziokultureller Sicht.
„Eine bloße Analyse der Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung ist unzureichend, um demographische Veränderungen tatsächlich zu verstehen“, so Diana Hummel. Der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdynamik und Problemen bei der Versorgung mit Wasser, Energie, Nahrung oder Verkehrsinfrastrukturen ist relevant, wenn demographische Prognosemodelle präzisiert oder fortgeführt werden sollen. Denn Bevölkerungszahlen und die Qualität der Infrastruktur beeinflussen sich gegenseitig.
„Es ist zwar nicht unerheblich, wie viele Menschen Versorgungs-
systeme in Anspruch nehmen. Doch die Infrastruktur steht nicht nur in Abhängigkeit von quantitativen demographischen Veränderungen wie einer Bevölkerungszu- oder -abnahme, sie wird auch von der Struktur einer Bevölkerung beeinflusst – durch Alterszusammensetzung, Haushaltsformen, sozialen Status, Lebensstile und Konsumgewohnheiten“, erläutert Diana Hummel. Die Vorstellung, dass mehr Menschen eine größere Umweltbelastung bedeuten und weniger Menschen Umweltprobleme verringern, sei zu einfach gedacht. Um die komplexen Probleme der weltweit sehr unterschiedlichen Bevölkerungsveränderungen verstehen zu können, müssen qualitative und quantitative Betrachtungsweisen miteinander verknüpft werden.
Aus Sicht der Wissenschaftler ist nicht die Bevölkerungsentwicklung allein das Problem; vielmehr ziehe auch die Anpassung der Versorgungs-systeme an demographische Veränderungen neue Probleme nach sich. So komme erst allmählich auch den Industrieländern ins Bewusstsein, dass der demographische Wandel in Form von Geburten-rückgang, Alterung der Gesellschaft, Migration und Bevölkerungsabnahme nicht nur Folgen für den Arbeitsmarkt oder die sozialen Sicherungssysteme habe, sondern in starkem Maße auch die Infrastruktur beeinflusse. Beispiele hierfür sehen die Frankfurter Forscher in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet: Bildungs- und Sozialeinrichtungen werden geschlossen, ganze Häuserblocks wegen Leerstands abgerissen. Auch die Wasserver- und -entsorgung wird hier mittelfristig betroffen sein, da die bestehenden Kapazitäten für Kanalisation und Kläranlagen – gebaut in Zeiten des Wachstums – vielfach überdimensioniert sind. „Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist hier ein differenzierter Umgang mit Schrumpfungsprozessen notwendig, auch um Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe vermeiden zu können.“, erklärt Diana Hummel.
(Institut für sozial-ökologische Forschung, 21.09.2004 – ESC)