Forscher schlagen Alarm: In den Ozeanen wird der Sauerstoff knapp. In den letzten 50 Jahren sind sauerstofffreie Wasserbereiche um das Vierfache gewachsen, küstennahe „Todeszonen“ sogar um das Zehnfache. Gleichzeitig sinkt auch der Sauerstoffgehalt insgesamt, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ berichten. Wenn nicht schnell Maßnahmen gegen Klimawandel und Meeresverschmutzung ergriffen werden, drohen weitreichende biologische und ökologische Folgen.
In vielen küstennahen Meeresgebieten breiten sich schon länger sauerstofffreie „Todeszonen“ aus – Gebiete, in denen Meerestiere nicht überleben können. Solche Zonen existieren unter anderem in der Ostsee, im Indischen Ozean, im Schwarzen Meer und vor der US-Golfküste. Aber auch außerhalb solcher „Todeszonen“ kann schon ein kurzer Sauerstoffmangel jahrzehntelange Folgen haben.
Alarmierender Schwund
Wie groß das Ausmaß des marinen Sauerstoffschwunds mittlerweile ist, haben nun Denise Breitburg vom Smithsonian Environmental Research Center und ihre Kollegen zusammengetragen. Wie sie berichten, hat der offene Ozean in den letzten 50 Jahren bereits zwei Prozent seines Sauerstoffs verloren. Gleichzeitig haben sich die sauerstoffarmen Zonen im offenen Meer um 4,5 Millionen Quadratkilometer vergrößert – das entspricht etwa der Fläche der Europäischen Union.
Noch gravierender sieht es in den küstennahen Gewässern aus: „Seit 1950 wurden mehr als 500 Zonen mit weniger als zwei Milligramm Sauerstoff pro Liter registriert“, berichten Breitburg und ihre Kollegen. „Das entspricht einem Zuwachs um das Zehnfache.“ Sie vermuten, dass es viele weitere, bisher noch unerkannte Sauerstoff-Minimumzonen in den Meeren gibt.
Weitreichende Auswirkungen
„Der Schwund des Sauerstoffs in den Ozeanen gehört zu den schwerwiegendsten Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die irdische Umwelt“, betont Breitburg. Denn bereits eine leichte Abnahme des Atemgases im Wasser könne das Wachstum von Meerestieren stören, ihre Fortpflanzung beeinträchtigen und zum Niedergang ganzer Populationen führen.
Doch der Sauerstoffschwund betrifft nicht nur die Meerestiere: Die „Todeszonen“ wirken sich auch auf Mensch und Klima aus. Denn wie Studien zeigen, setzen diese Meeresgebiete vermehrt potente Treibhausgase wie Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) frei. Außerdem leiden Fischerei und Tourismus. Hinzu kommt: „Rund die Hälfte des gesamten irdischen Sauerstoffs kommt aus den Ozeanen“, so Breitburg.
Klimawandel als Hauptschuldiger
Hauptursache des schwindenden Sauerstoffs im Meer ist der Klimawandel: Wenn das oberflächennahe Meerwasser wärmer wird, nimmt es weniger Sauerstoff auf. Gleichzeitig verstärkt sich die temperaturbedingte Schichtung des Wassers und der Austausch zwischen verschiedenen Schichten nimmt ab. Als Folge kann kaum mehr gelöster Sauerstoff in tiefere Wasserschichten vordringen – es entsteht dort eine sauerstoffarme Zone.
In Küstennähe wird dies durch den übermäßigen Eintrag von Nährstoffen noch verschärft. Denn sie führen zu Algenblüten, deren abgestorbene Überreste in der Tiefe zusätzlich Sauerstoff zehren. Und noch etwas kommt hinzu: Weil wärmere Temperaturen den Stoffwechsel wechselwarmer Tiere ankurbeln, verbrauchen die meisten Meerestiere in warmem Wasser mehr Sauerstoff – ein fataler Teufelskreis.
„Wir müssen handeln!“
Um diesen bedrohlichen Trend zu stoppen, müsse dringend gehandelt werden, betonen die Forscher. Wichtigste Maßnahmen dafür seien das Stoppen des Klimawandels durch Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und die Verringerung des Nährstoffeintrags in küstennahe Meeresgebiete. „Beides hilft nicht nur gegen den Sauerstoffschwund, es hat darüber hinaus auch substanzielle Vorteile für die Gesellschaft und nahezu alle Lebensbereiche unseres Planeten“, so die Wissenschaftler.
Doch auch im Kleinen kann etwas getan werden: „Selbst lokale Maßnahmen können schon gegen den Sauerstoffschwund wirken“, sagt Breitburg. So wurde in den letzten Jahren der Stickstoffeintrag in die Chesapeake Bay durch gezielte Abwasserreinigung und strengere Vorgaben für Landwirte um 24 Prozent gesenkt. Als Folge ist auch die die dortige „Todeszone“ drastisch geschrumpft.
Als weitere Maßnahme schlagen die Forscher vor, in der Umgebung der sauerstoffarmen Zonen das Fischen zu verbieten und Meerschutzgebiete einzurichten. Das schaffe geschützte Ausweichgebiete für die Meerestiere, die aus den „Todeszonen“ fliehen. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aam7240)
(University of California – San Diego, 05.01.2018 – NPO)