Paläontologie

Der Archaeopteryx konnte doch flattern

Knochenstruktur des Urvogels war für gelegentliches Fliegen gemacht

Archaeopteryx-Fossil: Der Urvogel gilt als eine der Zwischenformen zwischen Reptilien und Vögeln. © ESRF/ Pascal Goetgheluck

Nicht nur Körperschmuck: Der Archaeopteryx nutzte seine gefiederten Flügel wohl doch schon zum Fliegen. Das legen Röntgenanalysen fossiler Knochen des Urvogels nahe. Demnach war der Saurier zwar kein ausdauernder Flugkünstler. Kurze Distanzen konnte er allerdings sehr wohl in der Luft zurücklegen – und zwar in aktiv flatternder Manier, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Damit scheinen sie nun eine lange umstrittene Frage geklärt zu haben.

Der rund 150 Millionen Jahre alte Archaeopteryx ist eines der berühmtesten Fossilien der Welt – und eine Ikone der Evolutionstheorie. Denn als das erste Exemplar dieses gefiederten Sauriers im Jahr 1860 im Solnhofener Kalk entdeckt wurde, hatte Charles Darwin gerade erst seine Theorie über die Entstehung der Arten veröffentlicht.

Die Knochen des Archaeopteryx schienen ein perfekter Beleg für die Ausführungen des Biologen zu sein: Sie muteten wie ein merkwürdiges Mosaik aus den Merkmalen flugunfähiger Dinosaurier und typischen Vogeleigenschaften an. Seither gilt der Archaeopteryx als ein wichtiges Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln. Doch seine genaue Position im Stammbaum ist bis heute umstritten – ebenso wie die Frage, wozu das Tier seine Flügel und Federn zu Lebzeiten nutzte.

Ein Archaeopteryx-Fund wird am ESRF durchleuchtet. © ESRF/ Pascal Goetgheluck

Flog er – oder flog er nicht?

War sein Gefieder nur wärmende Hülle und Körperschmuck oder flog der Urvogel schon? Und wenn ja, war er des aktiven Flügelschlags mächtig oder verwendete er seine Flügel lediglich zum passiven Gleiten? Um dieses Rätsel zu lösen, haben Dennis Voeten vom European Synchrotron in Grenoble (ESRF) und seine Kollegen die wertvollen Knochen dreier Archaeopteryx-Funde nun im wahrsten Sinne des Wortes durchleuchtet. Sie untersuchten die Fossilien mithilfe einer speziellen Form der Röntgen-Mikrotomographie.

Außerdem analysierten sie die Knochenstruktur anderer geflügelter Arten – darunter ausgestorbene Flugsaurier sowie moderne Vögel. Dabei stellten sie fest: Bei den Spezies, von denen das Verhalten hinlänglich bekannt ist, lässt sich zuverlässig von der Knochenarchitektur auf den Flugstil schließen. Diese Erkenntnisse wendeten sie schließlich auf den Archaeopteryx an. Was würde das Innere seiner Knochen verraten?

Ähnlichkeit mit Fasanen

Die Auswertung zeigte: Zwar fehlen dem gefiederten Saurier Anpassungen, die typisch für den Schultergürtel hoch spezialisierter Flugkünstler sind. Seine Flügelknochen und insbesondere der mittlere Teil der Armknochen haben dagegen bereits entscheidende Merkmale mit modernen Vögeln gemein. „Die Knochenwand ist beispielsweise viel dünner als bei landlebenden Dinosauriern und sieht der von herkömmlichen Vogelknochen erstaunlich ähnlich“, berichtet Voeten.

Die Kunst des Fliegens beherrschte der Archaeopteryx mit seiner Anatomie wohl nicht so perfekt wie heutige Vögel. Gelegentlich kurze Distanzen zu überbrücken, war für ihn aber wahrscheinlich kein Problem: „Unsere Analysen offenbaren, dass die Knochen am ehesten Vögeln wie Fasanen gleichen – Arten, die ab und zu aktiv flattern, um eine Hürde zu überwinden oder einem Feind auszuweichen, aber keine ausdauernden Flieger sind“, konstatiert Voeten.

So könnte der Urvogel im Flug ausgesehen haben. © Jana R&

Flatternd von Insel zu Insel

Seine Fähigkeiten könnte der Archaeopteryx unter anderem zum „Insel-Hopping“ genutzt haben, so die Vermutung der Forscher. Schließlich war die Region rund um Solnhofen im späten Jura-Zeitalter ein tropisches Archipel. Wie genau sich der Saurier dabei durch die Lüfte bewegte, bleibt vorerst aber ein Geheimnis.

Seine Knochenstruktur legt trotz der vielen Gemeinsamkeiten nahe, dass er nicht dieselben Flügelschlagbewegungen machte wie seine modernen Nachfahren. Auch seine Haltung in der Luft könnte demnach anders ausgesehen haben als bei heutigen Vögeln, wie das Team berichtet. „Wir werden uns die Fossilien noch einmal ansehen müssen, um zu klären, wie genau diese Ikone der Evolution ihre Flügel benutzte“, sagt Voeten.

Frühe Flugkunst

Eines scheint jedoch klar: Der Archaeopteryx konnte tatsächlich fliegen und repräsentiert damit die erste Entwicklungswelle von Flugstrategien im Zeitalter der Dinosaurier. „Wir wissen nun, dass der Archaeopteryx bereits vor 150 Millionen Jahren aktiv durch die Lüfte flatterte. Und das legt wiederum nahe, dass die Anfänge des aktiven Flugs bei Dinosauriern noch früher liegen“, sagt Mitautor Stanislav Bureš von der Palacký Universität im tschechischen Olomouc.

Wie die Wissenschaftler berichten, flog der Archaeopteryx damals nicht allein über die Köpfe der landlebenden Dinosaurier. Er teilte sich den Jura-Himmel mit primitiven Pterosauriern. Diese Flugsaurier sollten in der darauffolgenden Kreidezeit zu gigantischen und unangefochtenen Herrschern der Lüfte avancieren. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-03296-8)

(ESRF/ Nature Press, 14.03.2018 – DAL)

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