Geowissen

Der Atlantik bekommt einen Feuerring

Wie einwachsende Subduktionszonen den Ozean und seine Küsten verändern werden

Atlantik
Noch wächst der Atlantik leicht, doch in rund 20 Millionen Jahren könnte sich dies umkehren. © NASA

Ende einer Ära: In rund 20 Millionen Jahren könnte der Atlantik in eine neue Phase eintreten. Statt sich weiter auszuweiten, beginnt das Ozeanbecken zu schrumpfen und bildet entlang der Ränder einen „Feuerring“ aus aktiven Subduktionszonen aus, wie Geologen prognostizieren. Auslöser für diese Trendumkehr ist die Ausweitung von angrenzenden Subduktionszonen wie dem Gibraltarbogen. Er wird in den Atlantik einwachsen und dort das „Verschlingen“ ozeanischer Kruste initiieren, wie das Team in „Geology“ berichtet.

Der Pazifik ist ein schrumpfendes Meer: Auf fast allen Seiten ist er von aktiven Subduktionszonen umgeben, an denen Ozeankruste unter die Kontinentalplatten gedrückt wird. Die Folge ist ein „Feuerring“ aktiver Vulkane und Erdbebengebiete. Ganz anders im Atlantik: Dieses Ozeanbecken ist jünger und wächst noch – wenn auch zunehmend langsamer. Dies geschieht, indem am mittelatlantischen Rücken stetig neues Krustenmaterial an die Oberfläche steigt.

Gibraltar
Quer über die Straße von Gibraltar verläuft eine kleine Subduktionszone. Dieser Gibraltarbogen wird sich in der Zukunft in den Atlantik hineinverlagern und ausweiten.© NASA/ JSC

Vom Wachsen zum Schrumpfen

Doch auch der Atlantik wird nicht ewig weiter wachsen: Wie alle Ozeanbecken durchläuft er den sogenannten Wilson-Zyklus: Ozeane werden als Riftzone geboren, weiten sich aus und schließen sich dann allmählich wieder. Allerdings erfordert dies Subduktionszonen, die die Ozeankruste nach und nach verschlingen – und im Atlantik gibt es bisher kaum welche. „Die Bildung neuer Subduktionszonen in einem Ozean vom Typ des Atlantiks zu erklären, ist eine Herausforderung“, erklären João Duarte von der Universität Lissabon und seine Kollegen.

Eine Subduktionszone kann entstehen, wenn eine Erdplatte bricht und eine der Bruchkanten dann nach unten abknickt und untergetaucht wird. Das aber erfordert beträchtliche Krafteinwirkung. „Solche externen Kräfte können der Zug einer benachbarten Subduktionszone sein, eine Stauchung durch weiter entfernte tektonische Prozesse oder auch die Folge eines Mantelplumes“, so die Geologen. Es gibt jedoch noch eine weitere Möglichkeit: die Ausweitung und „Invasion“ einer Subduktionszone aus einem benachbarten, „sterbenden“ Meer.

Gibraltarbogen als Auslöser?

Genau dies könnte sich auch beim Atlantik anbahnen, wie nun Duarte und sein Team mithilfe modernster Modellierungen ermittelt haben. „Die Subduktions-Invasion ist ein dreidimensionaler Prozess, der fortgeschrittene Modelle und Supercomputer erfordert, die bis vor ein paar Jahren nicht verfügbar waren“, erklärt Duarte. Diese Verfahren haben die Geologen nun genutzt, um einen möglichen Auslöser der Subduktions-Invasion im Atlantik näher in Augenschein zu nehmen: den Gibraltarbogen.

Diese bogenförmige, nur rund 200 Kilometer breite Subduktionszone überspannt die Meerenge von Gibraltar. Sie entstand durch die Kollision der Afrikanischen mit der Eurasischen Platte und die damit verbundenen Kräfte. Allerdings ist strittig, wie aktiv diese Zone noch ist, denn ihre Subduktion hat sich in den letzten Millionen Jahre stark verlangsamt. Die im Gibraltarbogen aneinandergrenzenden Plattenteile wandern nur noch um knapp fünf Millimeter pro Jahr aufeinander zu.

„Invasion“ in rund 20 Millionen Jahren

Doch wie Duarte und sein Team jetzt ermittelt haben, wird diese Ruhephase des Gibraltarbogens nach geologischen Maßstäben nicht lange anhalten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich der Bogen nach einer Ruheperiode ausweiten wird und in den Atlantik einwächst“, berichten die Geologen. „Eine solche Subduktions-Invasion ist wahrscheinlich ein gängiger Mechanismus bei der Initiierung der Subduktion in Ozeanen vom Typ des Atlantiks und ein fundamentaler Prozess in der jüngeren geologischen Entwicklung der Erde.“

Subduktions-Invasion
Die drei in den Atlantik hineinwachsenden Subduktionszonen (Pfeile) werden einen atlantischen Feuerring entstehen lassen.© National Oceanic and Atmospheric Administration

In rund 20 Millionen Jahren könnte sich die Gibraltar-Subduktionszone demnach vom Mittelmeer in den Atlantik verlagern und dann seitwärts weiterwachsen. Entlang der Ostseite des Atlantiks wird diese neue Subduktionszone Ozeankruste unter die Kontinentränder ziehen und in den Erdmantel hinunterdrücken – ähnlich wie heute am Ostrand des Pazifiks der Fall. Sobald diese Subduktion schneller abläuft als das Nachwachsen neuer Ozeankruste am mittelatlantischen Rücken, wird der Atlantik zu schrumpfen beginnen.

Neuer Feuerring an den Atlantikküsten

Doch es gibt noch eine Konsequenz dieser Entwicklung: Die sich ausweitende Subduktion am Ostrand des Atlantiks verursacht dort eine neue Zone vulkanischer und seismischer Aktivität. An der europäischen und afrikanischen Atlantikküste könnte dadurch die Bildung eines atlantischen „Feuerrings“ einsetzen. Analog zum pazifischen Feuerring wären diese Küstengebiete dann weit stärker als heute durch Vulkanausbrüche und Erdbeben gefährdet.

Und auch auf der anderen Seite des Atlantiks tut sich schon seit geraumer Zeit etwas: Schon vor einigen Millionen Jahren haben sich in der Karibik und südlich der Südspitze Südamerikas zwei Subduktionszonen in den Atlantik hinein ausgeweitet, wie Duarte und seine Kollegen berichten. Auch sie bilden den Beginn eines neuen atlantischen Feuerrings. (Geology, 2024; doi: 10.1130/G51654.1)

Quelle: University of Lisbon

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