Geowissen

Der Tod, der aus der Tiefe kam

Vulkane, Klima und Schwefelwasserstoff schuld am Massenaussterben am Ende des Perm-Zeitalters?

Giftige Gasblasen aus der Tiefe könnten die Meerestiere ausgelöscht haben. © SXC

Das dramatischste Massenaussterben der Erdgeschichte könnte gleichzeitig auch das langsamste seiner Art gewesen sein. Eine neue, jetzt in der Fachzeitschrift „Geology“ veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass vor 250 Millionen Jahren nicht ein Meteoriteneinschlag, sondern eine schleichende Klimaerwärmung, ausgelöst durch Vulkanausbrüche und kombiniert mit einer Schwefelwasserstoff-Freisetzung aus der Tiefsee, das große Sterben verursacht haben könnte.

Moostierchen als Zeigerorganismen

In ihrer Studie analysierte die Geowissenschaftlerin Catherine Powers von der Universität von Südkalifornien die Verteilung und Artenvielfalt von winzigen fossilen Meeresbewohnern, den Bryozoen. Diese auch Moostierchen genannten Lebewesen leben meist als Kolonien aufsitzend auf festem Untergrund. Da diese Tiergruppe bereits sehr alt ist und auch vor mehr als 250 Millionen Jahren schon existierte, lassen sie sich als eine Art Zeigerorganismen für das große Sterben am Ende des Perm-Zeitalters nutzen.

Die Analyse ergab, dass die Artenvielfalt der Bryozoen in den tieferen Bereichen des Meeres bereits vor rund 270 Millionen Jahren abzunehmen begann. In den letzten zehn Millionen Jahren vor dem Massenaussterben am Ende des Perm sank die Artenzahl sogar rapide ab. Die Moostierchen der mittleren und geringen Wassertiefen reagierten dagegen deutlich später, gewissermaßen erst kurz vor „Toresschluss“.

Der Tod kam aus der Tiefe

Dieses Muster des Verschwindens passt allerdings in keinster Weise zur der bisher von einigen Wissenschaftlern favorisierten Theorie. Nach dieser war – ähnlich wie am Ende der Kreidezeit – auch am Ende des Perm ein Meteoriteneinschlag der Auslöser für das Massenaussterben. Doch wenn das der Fall gewesen wäre, hätten die Flachwasser-Lebewesen als erste betroffen sein müssen. Stattdessen begann der Niedergang der Artenvielfalt nicht nur bereits viele Millionen Jahre früher, sondern auch noch in den Tiefen des Meeres, einem eigentlich gegenüber den Folgen eines Einschlags am Besten geschützten Lebensraum.

„Etwas muss aus der Tiefe des Ozeans gekommen sein“, so Powers. „Etwas ist die Wassersäule emporgestiegen und hat diese Lebewesen getötet.“ Nach Ansicht der Forscherin war dieses „Etwas“ vermutlich Schwefelwasserstoff. Bereits zuvor hatten Studien von Forscherkollegen gezeigt, dass eine Serie von gewaltigen Vulkanausbrüchen große Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre geschleudert haben könnten. Dieses wiederum löste eine rasche und starke Klimaerwärmung aus.

Schwefelwasserstoff als „Missetäter“?

Das durch die Erwärmung aufgeheizte Meerwasser erleichterte es dem am Meeresgrund durch anaerobe Bakterien produzierten Schwefelwasserstoffgas, an die Oberfläche zu steigen. Das giftige Gas tötete bei seinem Aufstieg nahezu alle Meeresbewohner – so jedenfalls das Szenario der Forscherin. Einmal in der Atmosphäre angelangt, hätte auch hier ab einer bestimmten Konzentration die tödliche Wirkung eingesetzt. Gleichzeitig beschädigte das Gas auch die vor UV-Strahlung schützende Ozonschicht und setzte damit de Tier- und Pflanzenwelt der schädlichen Strahlung aus dem All aus. Als Ergebnis starben letztlich rund 90 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten.

Nach Ansicht von Powers und ihren Kollegen wäre ein Meteoriteneinschlag, selbst wenn er sich ereignet haben sollte, in diesem Szenario allenfalls das Tüpfelchen auf dem „i“. Das große Sterben hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch schon längst seinen Lauf genommen. Die Wissenschaftler können sich eine ähnliche Ereigniskette auch bei anderen großen Massenaussterben, insbesondere dem Faunenschnitt dem Ende des Trias vor 200 Millionen Jahren, vorstellen.

(University of Southern California, 26.10.2007 – NPO)

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