Geowissen

Die Erde wird ihren Sauerstoff verlieren

In rund einer Milliarde Jahren könnte die Erdatmosphäre nahezu sauerstofffrei sein

Erdatmosphäre
Noch enthält die Erdatmosphäre rund 20 Prozent Sauerstoff – aber das wird sich in ferner Zukunft drastisch ändern. © studio023/ iStock.com

Erstickende Zukunft: In rund einer Milliarde Jahren könnte die Erdatmosphäre fast ihren gesamten Sauerstoff verloren haben – von den heute rund 20 Prozent bleiben weniger als ein Prozent, wie Forscher ermittelt haben. Der Grund dafür ist die natürliche Alterung der Sonne und die damit verknüpfte Zunahme ihrer Strahlung. Dies wird geochemische Kreisläufe verändern und die Pflanzenwelt drastisch ausdünnen, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

Das Ende ist unausweichlich: Weil sich unsere Sonne im Laufe ihres Lebenszyklus verändert, sind auch die Tage des irdischen Lebens gezählt. Schon jetzt nimmt die Leuchtkraft unseres Sterns allmählich zu, in rund einer Milliarde Jahren wird er rund zehn Prozent mehr Strahlung abgeben als heute.

Das aber hat Folgen für die Erde: Die verstärkte Strahlung und erhöhte Temperaturen fördern die Verwitterung und Bindung von Kohlendioxid (CO2) im Gestein. Dadurch fehlt dieses Gas den Pflanzen für ihre Photosynthese. Schon in rund 600 Millionen Jahren wird die irdische Vegetation dadurch zu schwinden beginnen, wie Modelle nahelegen.

Zukunft der Erde im Schnellvorlauf

Was aber bedeutet dies für den Sauerstoff in der Erdatmosphäre? Diese Frage haben nun Kazumi Ozaki von der japanischen Toho Universität und Christopher Reinhard vom Georgia Institute of Technology in einem NASA-Projekt untersucht. Dafür erweiterten sie bestehende Erdsystem- und Klimamodelle um die Faktoren, die die Gaszusammensetzung der Atmosphäre beeinflussen, darunter die Verwitterung und geochemischen Stoffkreisläufe, die Vegetation, aber auch die Sonneneinstrahlung.

In einem ersten Test ließen sie verschiedene Varianten dieses Kombi-Modells so lange laufen, bis diese die vergangene Entwicklung der Erde und ihrer Atmosphäre korrekt rekonstruieren konnten. „Die Simulationen dieser Ensemblegruppe wurden dann bis in die Zukunft weitergeführt, um die Lebensdauer der irdischen Sauerstoffatmosphäre zu ermitteln“, erklären die Forscher. Bei diesem Prognoselauf setzten sie ihre Modellerde dem Strahlungszuwachs aus, wie er für die solare Entwicklung vorhergesagt wird.

Drastischer Sauerstoffschwund in einer Milliarde Jahren

Das Ergebnis: „In der langfristigen Zukunft wird der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre substanziell abnehmen“, berichten Ozaki und Reinhard. Konkret ergaben die Simulationen, dass die irdische Gashülle schon in 1,08 Milliarden Jahren weniger als ein Prozent ihres heutigen Sauerstoffgehalts aufweisen wird. Ein Großteil der heutigen Lebensformen könnte unter diesen Bedingungen nicht mehr existieren.

Während Sauerstoff und Kohlendioxid stark abnehmen, wird der Methananteil der irdischen Gashülle in dieser Zeit deutlich zunehmen. „In vieler Hinsicht wird die Erdatmosphäre der fernen Zukunft damit derjenigen der Urerde vor dem sogenannten Great Oxidation Event gleichen“, erklären die Forscher. Dieses Ereignis vor rund 2,4 Milliarden Jahren reicherte die zuvor von Methan, Stickstoff und Kohlendioxid dominierte Uratmosphäre in kurzer Zeit mit Sauerstoff an.

Aus dem All betrachtet könnte unser Planet in einer Milliarde Jahren eher dem verschleierten Saturnmond Titan als einem blauen Planeten ähneln: „Ein erhöhter Methan-Anteil resultiert den Prognosen nach in der Bildung von organischen Dunstschleiern“, so Ozaki und Reinhard.

Veränderte biogeochemische Kreisläufe als Hauptursache

Doch was ist die Ursache für den dramatischen Sauerstoffschwund der künftigen Erdatmosphäre? Wie die Wissenschaftler berichten, ist vor allem die immer weiter zunehmende Sonneneinstrahlung die Triebkraft dafür. Ließen sie diese in ihren Modellen weg, blieb auch der Sauerstoffschwund aus. Nähere Analysen ergaben, dass die erhöhte Einstrahlung Verwitterungsprozesse verstärkt und die Temperaturen erhöht. Das wiederum verändert biogeochemische Stoffkreisläufe.

„Unsere Analyse deutet darauf hin, dass insbesondere die ozeanische Redox-Chemie entscheidend für die langfristige Entwicklung der Atmosphäre auf habitablen Planeten sein kann“, schreiben die Forscher. Denn die Wechselwirkung von Meer, Erdkruste und Mantel reguliert die Ströme von Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor und Eisen und sie alle haben einen Einfluss auf die Bindung und Freisetzung von Sauerstoff durch chemische, aber auch biologische Prozesse.

Bedeutung für die Suche nach außerirdischem Leben

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Sauerstoffatmosphäre selbst auf lebensfreundlichen Welten mit Photosynthese kein Dauerzustand ist“, konstatieren Ozaki und Reinhard. „Insgesamt wird demnach nur ein Bruchteil der Erdgeschichte durch robust detektierbare Gehalte atmosphärischen Sauerstoffs gekennzeichnet sein.“ Diese sauerstoffreiche Phase macht nur rund 20 bis 30 Prozent der Lebenszeit unserer Erde aus.

Das hat auch Relevanz für die Astrobiologie und die Suche nach Leben im All. Denn Sauerstoff gilt als eine der wichtigsten Biosignaturen für Leben auf fremden Planeten. Doch wenn diese Phase nur vergleichsweise kurz anhält und dann einer methanreichen, verschleierten Gashülle weicht, dann könnte auch eine solche Atmosphäre auf zumindest früheres Lebens hindeuten, so die Forscher. (Nature Geoscience, 2021; doi: 10.1038/s41561-021-00693-5)

Quelle: Nature Geoscience

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