Die Vorfahren aller Affen und Menschen kamen einst aus Asien nach Afrika. Einen neuen Beleg für diese urzeitliche Einwanderung haben Paläontologen in Myanmar entdeckt. Sie stießen dort auf die fossilen Zähne von Afrasia djijidae, einem zuvor unbekannten Primaten, der vor rund 37 Millionen Jahren lebte. Nähere Analysen enthüllten, dass der kleine Insektenfresser eng verwandt war mit einem zur gleichen Zeit in Afrika vorkommenden Primaten – obwohl beide tausende von Kilometern voneinander entfernt lebten. Die Vorfahren der afrikanischen Art seien daher wahrscheinlich erst kurz zuvor aus Asien eingewandert, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Der neue Fund werfe damit ein neues Licht auf eine entscheidende Phase in der Evolution der Primaten – ihre Ankunft in Afrika.
„Afrasia djijidae ist ein Meilenstein, denn dieses Fossil zeigt uns zum ersten Mal, wann unsere fernen Vorfahren nach Afrika kamen“, sagt Christopher Beard, Mitentdecker des Fossils und Paläontologe vom Carnegie Museum of Natural History in Pittsburgh. Erst auf dem afrikanischen Kontinent entwickelten sich diese frühen Primaten weiter zu Vormenschen und letztlich zu den ersten Vertretern des Homo sapiens. „Wenn es diese urzeitliche Einwanderung nicht gegeben hätte, wären auch wir nicht hier“, sagt Beard. Entdeckt hatten die Forscher die insgesamt vier Zähne von Afrasia djijidae bei Ausgrabungen nahe dem Ort Nyaungpinle in Zentral-Myanmar.
Rätselhafte Lücke in den Fossilfunden
Lange Zeit dachte man, dass die gemeinsamen Vorfahren der Affen und Menschen, auch als anthropoide Primaten bezeichnet, in Afrika entstanden. Doch neuere Fossilfunde in China und Südostasien widersprechen dem. Die dortigen Fossilien sind älter als die ersten afrikanischen Vertreter dieser Primatengruppe. Zunächst blieb aber unklar, ob die afrikanischen Primaten erst später einwanderten, oder ob die Fossilien aus der Zeit vor 37 Millionen Jahren in Afrika einfach nicht erhalten geblieben sind.
„Jahrelang dachten wir, dass die afrikanische Fossil-Lage einfach schlecht war“, sagt Studienleiter Jean-Jacques Jaeger von der Université de Poitiers in Frankreich. Erst die beiden eng verwandten Primaten aus Myanmar und Libyen zeigten, dass diese Lücke in der afrikanischen Fossilgeschichte die Realität widerspiegele: „Die anthropoiden Primaten gab in Afrika vorher einfach nicht“, so Jaeger.
Primaten mussten Tethys-Meer überwinden
Der Weg unserer fernen Vorfahren aus Asien in ihre neue Heimat war allerdings alles andere als einfach. Denn zu jener Zeit, vor rund 40 Millionen Jahren, waren Afrika und Eurasien durch das Tethys-Meer getrennt. Bei der Eroberung Afrikas mussten die anthropoiden Primaten diesen Meeresarm überqueren, wie die Forscher erklären. Den genauen Weg und auch den genauen Zeitpunkt dieser Wanderung könne man anhand der vorliegenden Funde noch nicht bestimmen. Hierfür benötige man noch weitere Belege. „Die Rekonstruktion von Ereignissen wie diesem ist ähnlich als wolle man einen sehr alten Kriminalfall lösen möchte“, sagt Beard. (doi: 10.1073/pnas.1200644109)
(Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 05.06.2012 – NPO)