Geowissen

Dinokiller: Hatte Chicxulub einen Begleiter?

66 Millionen Jahre alter Krater vor der Küste Westafrikas könnte von doppeltem Einschlag stammen

Asteroid
Am Ende der Kreidezeit könnte es noch einen zweiten großen Asteroideneinschlag gegeben haben. © Marharyta Marko/ Getty images

Fataler Doppelschlag: Vor 66 Millionen könnte vor der Küste Westafrikas ein rund 400 Meter großer Asteroid eingeschlagen sein – etwa zeitgleich mit dem Chicxulub-Einschlag, der die Ära der Dinosaurier beendete. Indiz dafür ist ein knapp zehn Kilometer großer Krater mit Zentralberg und erhöhtem Kraterrand, den Geologen durch seismische Analysen entdeckt haben. Gestörte Schichten und Trümmer im Meeressediment deuten darauf hin, dass der Einschlag mehrere starke Tsunamis auslöste.

Die Ära der Dinosaurier endete mit einer Katastrophe: An einem Frühlingstag vor 66 Millionen Jahren raste der kilometergroße Chicxulub-Asteroid auf die Erde zu und schlug auf der Halbinsel Yucatan ein. Schon in den ersten Stunden vernichteten Schockwellen, Hitze und Tsunamis alles Leben in weitem Umkreis. Darauf folgten Brände, Dunkelheit und ein jahrelang andauernder Impaktwinter, dem 75 Prozent der irdischen Lebenswelt zum Opfer fielen. Von diesem Ereignis zeugen noch heute Ablagerungen in aller Welt und der unter dickem Sediment verborgenen Chicxulub-Krater.

Nadir-Krater
In seismischen Daten sichtbare Struktur des Nadir-Kraters © Nicholson et al. /Science Advances, CC-by 4.0

Verborgener Krater aus der Zeit der Katastrophe

Doch der „Dinokiller“ war damals offenbar nicht der einzige Asteroid, der die Erde traf. Hinweise auf einen zweiten großen Einschlag etwa um die gleiche Zeit haben nun Uisdean Nicholson von der Heriot-Watt University in Edinburgh und seine Kollegen vor der Küste Westafrikas entdeckt. Seismische Untersuchungen auf dem Guinea-Plateau, einer von rund 900 Meter Wasser bedeckten kontinentalen Schelfzone, enthüllten die Präsenz einer annähernd kreisförmigen Störung im Meeresgrund.

Die Daten enthüllten eine große, kraterähnliche Formation, die zwischen den Gesteinsschichten aus der Kreidezeit und jüngeren Sedimentschichten liegt. „Der Krater besteht aus einer mindestens 8,5 Kilometer großen, konkaven Senke in der Kreidezeit-Paläogen-Grenze“, berichten die Forschenden. Er könnte demnach etwa um die gleiche Zeit wie der Chicxulub-Krater in Yucatan entstanden sein, maximal einige hunderttausend Jahre früher oder später.

Tiefe Senke mit Kraterrand und Zentralberg

Der neuentdeckte Krater reicht bis 700 Meter unter die damalige Sedimentoberfläche und ist von einem erhöhten Kraterrad umgeben. In der Mitte des nach einem nahen Seamount „Nadir-Krater“ getauften Beckens erhebt sich ein Zentralberg. Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht diese Form dafür, dass der unterseeische Krater von einem Einschlag gebildet wurde. „Die Architektur des Nadir-Kraters ähnelt der von anderen komplexen marinen Einschlagskratern“, schreiben Nicholson und seine Kollegen.

„Vor allem die Existenz eines tiefen inneren Kraters mit Zentralberg und einer flacheren äußeren Region entspricht der umgekehrten Sombrero-Form, wie sie auch die Chesapeake-, Lockne- und Flynn-Creek-Krater zeigen“, erklären sie. Auch die Verhältnisse der Kratertiefe zum Durchmesser und die Höhe des Kraterrands passen ihren Angaben zufolge mit der Morphologie überein, die der Hochgeschwindigkeitseinschlag eines Asteroiden in flache Meeresgebiete hinterlassen würde.

Sollte sich dies bestätigen, dann könnte vor 66 Millionen Jahren ein zweiter großer Asteroid auf der Erde eingeschlagen sein. Aus den Abmessungen des Nadir-Kraters schließen die Geologen, dass dieser Impaktor rund 400 Meter groß gewesen sein muss – er muss zumindest regional schwere Folgen gehabt haben. Darauf deutet auch eine ausgedehnte Schicht durcheinandergewürfelter Trümmer und Verwerfungen rund um den Krater hin.

Ablauf
Möglicher Ablauf des Einschlags. © Nicholson et al. /Science Advances, CC-by 4.0

Feuerball, Schockwelle und Tsunamis

Wie der Nadir-Einschlag abgelaufen sein könnte und welche Auswirkungen er hatte, haben Nicholson und sein Team mithilfe einer Modellsimulation rekonstruiert. Demnach setzte der Impakt eine Energie von rund 5.000 Megatonnen TNT frei und ließ instantan eine enorme Menge Wasser und Sediment verdampfen. „Es entstand ein Feuerball von mehr als fünf Kilometern Durchmesser, gefolgt von einer Druckwelle, die selbst 50 Kilometer von der Einschlagsstelle entfernt noch Windgeschwindigkeiten bis zu 470 Kilometer pro Stunde hatte“, berichten die Forschenden.

Die Wucht des Einschlags löste Erdstöße der Magnitude 7 aus, die Teile des Meeresgrunds verflüssigten und aufreißen ließen. Parallel dazu schleuderte der Impakt eine gut zwei Kilometer hohe Wasserwand rund um den Krater in die Höhe. „Als sie kollabierte und auf die Meeresoberfläche zurückfiel, verursachte dies eine 500 Meter hohe Tsunamiwelle aus“, schildern Nicholson und sein Team die Ereignisse. Das Aufeinandertreffen dieser Wellenfronten im Kraterzentrum löste weitere, sekundäre Tsunamis aus, die den Meeresgrund aufwühlten. Diese chaotische Tsunamischicht ist bis heute in den seismologischen Daten erkennbar.

Die Tsunamiwellen rasten über de Südatlantik und trafen die Küste Westafrikas und wahrscheinlich auch Südamerikas. Selbst dort könnte die Wellenhöhe der Simulation zufolge noch mehr als fünf Meter betragen haben. Insgesamt muss der Nadir-Einschlag damit eine lokale und regionale Katastrophe ausgelöst haben.

Auswirkungen auch auf das Klima

Für die Lebenswelt am Ende der Kreidezeit bedeutete dies eine gleich doppelte Katastrophe: Innerhalb von geologisch kurzer Zeit durchlebten sie zwei große Einschläge, einen mit regionalen, einen mit globalen Folgen. Hinzu kommt, dass auch der kleinere Nadir-Impakt Auswirkungen auf das globale Klima gehabt haben könnte. Denn wie Nicholson und seine Kollegen feststellten, traf der Asteroid dicke Schieferschichten, die reich an organischem Material waren.

Die Hitze und Schockwelle des Einschlags pulverisierten und verdampften diese organischen Ablagerungen und setzte dabei große Mengen Ruß und Methangas frei. „Durch die seismischen Erschütterungen und Hangrutschungen könnte noch mehr Methan aus den Gashydraten im Guinea-Plateau freigesetzt worden sein“, berichten die Wissenschaftler. Dies könnte die vom Chicxulub-Einschlag verursachten Klimafolgen noch verstärkt haben.

War es ein Bruchstück des Chicxulub?

Doch wie konnte es damals zu gleich zwei so schwerwiegenden Einschlägen zur gleichen oder fast gleichen Zeit kommen? Eine Möglichkeit wäre, dass der Nadir-Asteroid ein Bruchstück des größeren Chicxulub-Asteroiden war. Zwar kann letzterer nicht erst in der Erdatmosphäre zerbrochen sein, weil die beiden Krater dafür zu weit auseinander liegen. „Aber das Zerbrechen des Mutterasteroiden durch Gezeitenkräfte bei einer früheren Erdpassage könnte den großen Abstand erklären“, schreiben Nicholson und sein Team. Ähnliches ließ sich beim Kometen Shoemaker-Levy-9 beobachten, der 1994 auf dem Jupiter einschlug.

Denkbar wäre aber auch, dass beide Asteroiden Teil eines Schwarms von Asteroiden waren, der damals in Erdnähe vorbeiflog. Ein Indiz dafür könnten unter anderem der 24 Kilometer große Boltysch-Krater in der Ukraine sein, der 650.000 Jahre jünger ist als der Chicxulub-Krater, wie die Forschenden berichten. Auch einige Meteoritenreste in Polen, die an der Grenze von der Kreidezeit zum Paläogen gefunden wurden, sowie mehrere größere Krater mit sehr weiten Altersspannen kämen als Komponente eines solchen Asteroidenschwarms in Frage.

Allerdings: Ob eines der beiden Szenarien stimmt oder ob der Doppelschlag vor 66 Millionen Jahren bloßer Zufall war, ist bisher offen. Um das zu klären, müssen nun zunächst das Alter und die genauen Umstände des Nadir-Kraters genauer eingegrenzt werden – beispielsweise durch künftige Tiefbohrungen auf dem Guinea-Plateau. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abn3096)

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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