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Drehrichtung verrät Alter des Wattenbodens

Rechts oder links – das ist die Frage

Dass es wichtig ist, ob die Milchsäure rechts- oder linksherum dreht, wollen uns die Joghurthersteller ja schon lange weismachen. Jetzt haben zwei Wilhelmshavener Forscher herausgefunden, dass dieser kleine, aber feine Unterschied noch mehr kann als unsere Verdauung fördern. Mit ihm können sie herausfinden, wann und wie schnell sich Sedimente im Watt abgelagert haben. Dies ist wichtig, wenn ein möglicher Meeresspiegelanstieg im Wattenmeer durch Klimaänderungen vorhergesagt werden soll.

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Gerd Liebezeit und Daniel Ziehe vom Forschungszentrum Terramare in Wilhelmshaven untersuchten Miesmuschelschalen auf ihren Gehalt an rechts- und linksdrehenden Aminosäuren. Die Drehrichtung weist daraufhin, in welche Richtung ein in Wasser gelöster Stoff polarisiertes Licht ablenkt. Chemisch gesehen sind beide Formen gleich, aber in ihrer Struktur unterscheiden sie sich wie Bild und Spiegelbild oder auch linke und rechte Hand. Enzyme beschleunigen in der Zelle Reaktionen, in dem sie die verschiedenen chemischen Verbindungen räumlich nahe zusammenbringen. Dies geht, da sie Andockstellen haben, die für die jeweiligen Stoffe maßgeschneidert sind. Und zwar so passgenau, dass sie nur eine Form, entweder links- oder rechtsdrehend verarbeiten können: Im Falle der Aminosäuren überwiegend linksdrehende, also L-Aminosäuren. Daher finden sich in lebenden Tieren so gut wie nur L-Aminosäuren. Bei Milchsäure ist es übrigens die rechtsdrehende, die daher auch besser vom Körper verwertet werden kann.

Stirbt ein Tier, tritt nach einer gewissen Zeit ein Gleichgewicht zwischen L- und D-Form ein (D von dexter, lateinisch rechts), da sich die Aminosäuren umwandeln. Für manche Säuren dauert dies einige hundert, für andere einige Millionen Jahre. Liebezeit und Ziehe haben sich das Verhältnis von beiden Formen in Miesmuschelschalen angesehen, die sie in verschiedenen Tiefen im Wattboden gefunden haben. Je weiter sich das Verhältnis vom lebenden Tier (nur linksdrehend) entfernt hatte, umso älter waren die Schalen und damit der Wattboden. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Wattboden pro Jahrhundert zwischen 26 und 46 Zentimetern an Höhe gewann. Diese Werte stimmen gut mit den Daten überein, die sie aus Pegelauswertungen erhielten, nämlich 25 bis 30 Zentimeter pro Jahrhundert.

Nachteil der Methode ist, dass Miesmuschelschalen nur selten ganz erhalten sind. Bei Bruchstücken ist es recht wahrscheinlich, dass sie nach dem Tod der Muschel noch verlagert wurden. Nachdem die beiden Wissenschaftler jetzt bewiesen haben, dass die Methode gute Ergebnisse liefert, wollen sie sie auf Sandklaffmuscheln ausdehnen, deren Schalen häufig noch in der Lebendstellung gefunden werden. Ein Hinweis darauf, dass sie in der entsprechenden Tiefe gelebt haben. Die Finanzierung für das Projekt steht übrigens auch schon. Der große Vorteil der Methode ist übrigens, dass sie kurzzeitige Schwankungen in der Ablagerungsgeschwindigkeit wesentlich besser abbildet, als es die herkömmliche Untersuchung mit der Radiocarbonmethode tut. Und gerade im Zusammenhang mit den Prognosen für einen eventuellen Meeresspiegelanstieg im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist dies wichtig. Ähnliche Untersuchungen an Joghurt wird es aber nicht geben, bis sich dort eine messbare Veränderung ergibt, ist er nämlich – hoffentlich – schon längst verspeist.

(Kirsten Achenbach/RCOM, 22.09.2005 – AHE)

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