Wissenschaftler haben möglicherweise die Ursache für eine bisher rätselhafte Ost-West-Asymmetrie des inneren Erdkerns gefunden: Nach einem jetzt in „Nature“ vorgestellten Modell bewegt sich der innere Erdkern stetig nach Osten. Gleichzeitig jedoch findet an der Grenze zwischen festem innerem und flüssigem äußerem Erdkern ein intensives „Recycling“ von Material statt. Dadurch schmilzt er an seiner Vorderseite, während an der Rückseite durch Kristallisation eisenhaltiges Material wieder angelagert wird.
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Nach gängigen Vorstellungen wächst der feste, innere Kern der Erde im Laufe der Jahrmillionen allmählich an. Denn aus dem ihn umgebenden flüssigen äußeren Kern kristallisieren immer wieder geringe Mengen von eisenhaltigem Material aus und lagern sich an der Oberfläche des inneren Kerns ab. Leichtere Elemente wie Schwefel und Sauerstoff bleiben dagegen im flüssigen Kernteil und steigen hier auf. Diese Bewegung, so die Theorie, sorgt unter anderem für die Strömung, die den Dynamo des irdischen Magnetfelds antreibt.
Ost-West-Asymmetrie im Kern
Ein Problem gibt es bei dieser Theorie allerdings: Sie stimmt nur bedingt mit Beobachtungsdaten aus seismischen Messungen überein. Diese deuten nicht nur auf eine relativ dichte flüssige Schicht an der Basis des äußeren Erdkerns hin, sondern auch auf eine hemisphärische Ost-West-Asymmetrie in Bezug auf einige der Eigenschaften des inneren Erdkerns. Thierry Alboussière und seine Kollegen von der Université Joseph Fourier in Grenoble haben nun jedoch für diese scheinbaren Widersprüche eine Lösung gefunden.
Ständiges „Recycling“ an Kerngrenze?
Die Forscher gehen davon aus, dass die beobachtete dichte Schicht an der Untergrenze des äußeren Kerns sehr wohl entstehen kann, dann nämlich, wenn an der Grenzschicht beider Kernbereiche sowohl eine Kristallisation als auch ein Schmelzen stattfindet. In einem von ihnen entwickelten theoretischen Modell sowie in Laborexperimenten zeigen sie, dass diese beiden Prozesse sich möglicherweise an entgegengesetzten Seiten des Erdkerns konzentrieren.
Recycling gleicht Ostbewegung aus
Der Kern bewegt sich demnach allmählich nach Osten. Dabei jedoch schmilzt an seiner Vorderseite festes Material weg, an seiner Rückseite findet dafür eine vermehrte Kristallisation von eisen aus dem flüssigen äußeren Kern statt. Dieser Prozess des Ablagern auf der einen und Abschmelzen auf der anderen Seite führt mit der Zeit zu einem kompletten Austausch der festen Kernmaterie, der innere Kern wird dadurch alle rund 100 Millionen Jahre einmal „runderneuert“. Die beobachtete Ost-West Asymmetrie wäre dann ein Indiz dafür, dass dieses „Recycling“ von Kernmaterial in Ost-West-Richtung orientiert ist.
(Nature, 06.08.2010 – NPO)