Dem Untergang geweiht? Die Tempelanlagen rund um Angkor Wat sind das letzte Relikt des einst mächtigen Königreichs der Khmer – doch der Zahn der Zeit nagt ihnen. Forscher haben nun untersucht, wie wahrscheinlich ein Kollaps der Monumente ist und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Das Ergebnis: Langfristig könnten vor allem Grundwasser- und Temperaturschwankungen die Strukturen mürbe machen. Die neuen Erkenntnisse helfen nun dabei, die Ruinen von Angkor besser vor dem Verfall zu schützen.
Wenn es um die Geschichte Kambodschas geht, fällt den meisten Menschen als erstes Angkor ein – das mächtige Königreich der Khmer, dessen ausgedehnte Städte und Tempel das kambodschanische Tiefland vom 9. bis ins 15. Jahrhundert hinein dominierten. Das berühmteste und größte Bauwerk der einst blühenden Kultur ist die Tempelanlage Angkor Wat. Sie ist zugleich das größte sakrale Gebäude der Welt.
Wie wahrscheinlich ist ein Kollaps?
Die Ruinen von Angkor Wat erinnern bis heute an das untergegangene Megareich und gehören seit 1992 zum Welterbe der UNESCO. Doch der steinerne Tempel und andere ihn umgebende Monumente der Khmer-Zivilisation sind in Gefahr. Experten sorgen sich schon länger um die Stabilität der einmaligen Relikte.
Denn durch die zahlreichen Besucher steigt der Wasserverbrauch in der Region seit Jahren rapide an. Die Befürchtung: Dadurch könnte der Grundwasserspiegel sinken, der Boden zusammensacken und die ohnehin teilweise bereits stark angegriffenen Strukturen zum Einstürzen bringen. Wie hoch aber ist das Risiko eines Kollapses wirklich?
Keine akute Bedrohung …
Um diese Frage beantworten zu können, fehlte es bislang an Daten. Wissenschaftler um Fulong Chen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking haben nun jedoch die benötigten Informationen generiert und ausgewertet. Dank hochmoderner Radartechnologie und hochauflösenden Satellitenbildern können sie die Gefährdung der historischen Bauwerke im rund 400 Quadratkilometer großen Angkor Archaelogical Park jetzt besser abschätzen.
Die gute Nachricht: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Entnahme von Grundwasser aus Brunnen die Stabilität der Monumente im Beobachtungszeitraum von 2011 bis 2013 nicht akut bedroht hat“, schreibt das Team. Demnach hätten die Analysen keinerlei Hinweise auf Bewegungen oder Deformationen der Landschaft ergeben, die von den Pumpaktivitäten herrühren könnten.
… aber langfristige Folgen
Allerdings: Langfristig gesehen sind Angkor Wat und Co womöglich dennoch in Gefahr. Denn anhand von Modellberechnungen auf Grundlage der neuen Daten identifizierten die Forscher Faktoren, die erst über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zum Tragen kommen und zum Verfall der Bauwerke beitragen könnten.
So zeigte sich: Selbst kaum merkliche, natürliche saisonale Schwankungen des Grundwasserpegels scheinen die architektonischen Strukturen auf lange Sicht ebenso mürbe zu machen wie durch hohe Temperaturen ausgelöste Ausdehnungsprozesse unterschiedlicher Baumaterialen. Diese beiden Aspekte waren dem Team zufolge bisher unbekannt.
Sie vervollständigen nun das Bild darüber, was die Stabilität der Tempelanlagen beeinträchtigt. Klar war Experten bereits, dass der wetterbedingte Zerfall von Sandstein und andere biologische Veränderungen wie das Wachstum von Bäumen den Erhalt des Kulturerbes gefährden.
Neue Schutzmaßnahmen
Die Erkenntnisse könnten künftig dabei helfen, genau diese Prozesse zu verhindern oder ihre Auswirkungen zumindest zu minimieren. Die Wissenschaftler schlagen vor, die saisonalen Grundwasserschwankungen rund um die Tempelanlagen künstlich so stabil wie möglich zu halten – zum Beispiel mithilfe von Strukturen, die das ganze Jahr über gleichmäßig viel Wasser halten können.
Auch die Restaurierung von Bauwerken könnte nun nachhaltiger gestaltet werden: Durch den Einsatz von Materialien, die auf Temperaturschwankungen möglichst ähnlich reagieren und auf diese Weise weniger ungleichmäßige Bewegungen innerhalb der Gebäude verursachen. (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1601284)
(Science Advances, 03.03.2017 – DAL)