Überraschend erdähnlich: Trotz dünner Atmosphäre und eisiger Kälte besitzt auch der Zwergplanet Pluto echte Dünen. Wie auf der Erde wurden sie aus losen Partikeln gebildet, die der Wind herangeweht hat. Allerdings bestehen die Plutodünen nicht aus Sand, sondern aus Methaneis-Körnchen. Der Transport dieser Eiskörnchen könnte sogar bis heute anhalten und für immer neue Dünenrippel auf dem Zwergplaneten sorgen, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Die Aufnahmen und Daten der NASA-Raumsonde New Horizons sorgen für immer neue Überraschungen. Denn sie enthüllen, dass der ferne Zwergplanet Pluto erstaunlich vielseitige und sogar erdähnliche Merkmale besitzt. So gibt es fließende Gletscher, eisige Gebirge und vielleicht sogar einen subglazialen Ozean und aktive Eisvulkane. Generell scheint die Pluto-Oberfläche dynamischer und veränderlicher als man es lange für möglich gehalten hätte.
Rätselhafte Rippel
Doch eine Landschaftsform auf dem Zwergplaneten gab bisher Rätsel auf: Am Übergang von der Eisebene Sputnik Planitia zum Gebirgszug Al-Idrisi zeigten die Sondenaufnahmen seltsame langgestreckte Rippel. Diese bilden in einer rund 75 Kilometer breiten Zone parallele Linien, ähnlich den Sandrippeln am Meeresstrand oder den Dünenzügen in vielen irdischen Wüsten.
„As wir die New-Horizons-Bilder zum ersten Mal sahen, dachten wir sofort, dass dies Dünen sein könnten“, berichtet Co-Autor Jani Radebaugh von der Brigham Young University. Doch damit Dünen entstehen, muss der Wind lose Partikel hochreißen, sie ein Stück mittragen und dann wieder ablagern. Dabei erfordert vor allem der erste Schritt relativ starke Winde. „Aber wir wussten, dass Pluto nur eine dünne Atmosphäre besitzt“, so Radebaugh. Eine echte Dünenbildung galt daher als unwahrscheinlich.
In jeder Hinsicht dünenähnlich
Jetzt jedoch haben sich Matt Telfer von der Plymouth University die rätselhaften Pluto-Rippel noch einmal näher angeschaut. Ihre Analyse bestätigt: Die Erhebungen zeigen fast alle typischen Merkmale von Transversal-Dünen. Die langen, schmalen Rippel verlaufen parallel zum Gebirge und zur vorherrschenden Windrichtung und ihre Abstände werden größer, je weiter sie von den Bergen entfernt sind. Auf der Eisoberfläche der Sputnik-Planitia-Ebene sind zudem dunkle Windspuren zu erkennen.
„Zusammen sprechen diese Merkmale dafür, dass es lose Partikel nahe und auf der Oberfläche gibt“, berichten Telfer und seine Kollegen. Daten der Raumsonde New Horizons deuten darauf hin, dass es sich bei diesen Partikeln um winzige Methaneis-Körnchen handeln könnte. Mit einer Größe von 200 bis 30 Mikrometern wären sie klein genug, um selbst bei den schwachen Winden des Pluto längere Zeit in der Schwebe zu bleiben.
Was reißt die Körnchen in die Höhe?
Das Problem jedoch: Mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde reichen die Plutowinde zwar aus, um einmal schwebende Partikel zu transportieren. Aufwirbeln und in die Höhe reißen kann ein so laues Lüftchen die Körnchen aber nicht. Zudem ist die Plutoatmosphäre nur 0,001 Prozent so dicht wie die irdische. „Es ist daher auf dem Pluto ein zusätzlicher Prozess nötig, um dies zu gewährleisten“, sagen die Wissenschaftler.
Ihre Vermutung: Die Methaneis-Körnchen wurden nicht vom Wind aufgewirbelt, sondern von Methan, das von der Eisoberfläche verdampft. „Diese Sublimation liefert uns einen glaubhaften Mechanismus für das Anheben der Körnchen“, so die Forscher. Denn an jedem Nachmittag gasen größere Mengen Methan aus der Sputnik-Planitia-Ebene und dem benachbarten Gebirge aus – und das Gas könnte auch Eiskörnchen mit in die Höhe reißen.
Dünenbildung bis heute?
Nach Ansicht der Forscher spricht damit einiges dafür, dass der Pluto echte Dünen besitzt – und dass sie hinter den rätselhaften Rippeln am Rand der Sputnik Planitia stecken. „Wir wussten schon, dass jeder Himmelskörper im Sonnensystem mit einer Atmosphäre und festen Oberfläche auch Dünen hat“, sagt Telfer. So besitzt der Mars sogar Wanderdünen und auf dem Saturnmond Titan existieren Dünen aus elektrisch aufgeladenem Kohlenwasserstoff-Sand. „Aber im Fall des Pluto waren wir uns nicht sicher, ob das möglich ist“, so Telfer.
Überraschend auch: die Dünne des Pluto scheinen relativ jung zu sein. Sie entstanden wahrscheinlich erst innerhalb der letzten 500.000 Jahre, wie die Forscher berichten. Es könnte sogar sein, dass die Dünenbildung auf dem Zwergplaneten bis heute anhält. Pluto ist damit einmal mehr erdähnlicher als man es ihm zuvor zugetraut hätte. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aao2975)
(University of Plymouth, 01.06.2018 – NPO)