Bevölkerung

Ein Tag im Leben der Menschheit

Wissenschaftler haben ermittelt, welchen Aktivitäten wir täglich wie viel Zeit einräumen

Tagesablauf Beispiel
Jeder gestaltet seinen Tag anders. Während der eine nach der Arbeit joggen geht, nimmt der andere vielleicht ein entspanntes Bad oder trifft sich mit Freunden. Doch wie sieht ein typischer Tag im Durchschnitt der gesamten Menschheit aus? © elenabs/ Getty Images

Carpe Diem – „Nutze den Tag“ – doch wofür? Forschende haben erstmals ermittelt, wie Menschen rund um den Globus ihren Tag verbringen und wie ein durchschnittlicher Tag für die Menschheit aussieht. Demnach verbringt unsere Spezies im Schnitt neun Stunden täglich mit Schlafen, eine Stunde mit Kochen und eine Minute mit der Müllentsorgung. Fernab von alltäglichen Aktivitäten zeigt die Studie außerdem, dass gezielte Nachjustierungen im durchschnittlichen Tagesablauf uns dabei helfen könnten, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Gut acht Milliarden Menschen leben aktuell auf der Welt und jedem davon stehen täglich 24 Stunden zur Verfügung, die er mit verschiedensten Tätigkeiten füllen kann. Doch was passiert, wenn man die Tagesabläufe aller Menschen zusammennimmt und daraus einen einzigen durchschnittlichen Tag bildet? Wie viel Zeit verbringt der so entstandene Durchschnittsmensch mit Schlafen, mit Pendeln, mit Lesen oder einfach mit Leerlauf? Und wie viele Minuten nehmen der Anbau von Lebensmitteln oder die Gewinnung von Rohstoffen ein?

Auf dem Weg zum Durchschnittstag

„Mit anderen Worten: Wenn die Welt ein einziger durchschnittlicher Mensch wäre, wie würde sein Tag aussehen?“, fragt Erstautor William Fajzel von der McGill University im kanadischen Montreal, der mit seinem Team erstmals einen solchen menschlichen Durchschnittstag empirisch erfasst hat. Dafür kombinierten die Forschenden Daten zur täglichen Zeiteinteilung aus über 140 Ländern, die insgesamt rund 90 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren.

Um die verschiedenen nationalen Erhebungsmethoden miteinander in Einklang zu bringen, mussten Fajzel und seine Kollegen alle erfassten Aktivitäten in neue Kategorien einordnen. Konkret heißt das: Statt den Tag so wie üblich in bezahlte und unbezahlte Aktivitäten aufzuteilen, kategorisierten sie die verschiedenen Tätigkeiten nun entsprechend der Motivation, die ihnen zugrunde liegt. Dadurch entstanden drei übergeordnete Gruppen.

Drei Gruppen von Aktivitäten

Die erste große Gruppe umfasst Aktivitäten, mit denen wir beabsichtigen, die Welt um uns herum zu verändern. Dazu gehört die Gewinnung von Materialien und Energie aus der Umwelt ebenso wie die Herstellung von Nahrungsmitteln und der Bau von Gebäuden. Die zweite große Gruppe umfasst Aktivitäten, die unmittelbare Folgen für uns selbst haben, zum Beispiel die Pflege unseres Aussehens und unserer Gesundheit sowie die Ausübung von Sport, Religion und Erholung.

In Kategorie drei befinden sich Aktivitäten, die durch organisatorische Gegebenheiten motiviert sind, also zum Beispiel Pendeln, Einkaufen und Polizeiarbeit. In jeder Kategorie fließen bezahlte und unbezahlte Aktivitäten zusammen. So tragen zum Beispiel die Arbeitsstunden eines Busfahrers ebenso zu den insgesamt mit Personenbeförderung verbrachten Stunden bei, wie die Zeit, die ein Pendler im Bus verbracht hat. Denn in beiden Fällen besteht die Motivation der Tätigkeit darin, Menschen zu befördern.

Tag im Leben der Menschheit
In diese Aktivitäten teilt sich der Tag eines globalen Durchschnittsmenschen auf. © Fajzel et al./ PNAS /CC-by-nc-nd 4.0

Viel Schlaf und viel Selbst-Fürsorge

Wie also sieht ein Durchschnittstag im Leben der Menschheit aus? Einen großen Teil davon verbringen wir mit Schlafen und Bettruhe: Ganze 9,1 Stunden gehen dafür drauf. Dass diese Zahl so hoch ausfällt, hängt auch damit zusammen, dass in der Auswertung zahlreiche Jugendliche vorkommen, die naturgemäß länger schlafen, wie Fajzel und seine Kollegen erklären.

Weitere 9,4 Stunden verbringt der Durchschnittmensch mit auf ihn selbst ausgerichteten Tätigkeiten. Am zeitaufwändigsten sind dabei unter anderem Lesen, Spielen, die Interaktion mit Bildschirmen, Spazierengehen, Kontakte knüpfen und Nichtstun. Rund 31 Prozent unseres wachen Tages, also etwa 4,6 Stunden, investieren wir darin. Aktivitäten wie Rohstoffgewinnung, die Veränderungen in der Welt bewirken sollen, kommen in der Auswertung auf 3,4 Stunden, organisatorisch motivierte Tätigkeiten wie Pendeln auf 2,1 Stunden.

Arbeit macht im globalen Schnitt nur 2,6 Stunden aus

Konkret auf einzelne Aktivitäten heruntergebrochen bedeuten diese Werte zum Beispiel, dass wir durchschnittlich eine Stunde täglich mit Kochen zubringen, eine weitere mit Personenbeförderung und 45 Minuten damit, unsere Wohnungen aufzuräumen und instand zu halten. Die gesamte Infrastruktur und der Bau von Gebäuden werden im globalen Durchschnitt gesehen in etwa 15 Minuten erledigt, die Abfallentsorgung in einer Minute.

Zusammensetzung Wirtschaftstätigkeit
So setzt sich die tägliche Wirtschaftstätigkeit zusammen. © Fajzel et al./ PNAS /CC-by-nc-nd 4.0

Darüber hinaus schätzt Fajzels Team, dass die gesamte Weltwirtschaft etwa 2,6 Stunden des durchschnittlichen menschlichen Tages in Anspruch nimmt. „Dies mag zwar gering erscheinen, entspricht aber einer 41-Stunden-Woche der weltweiten Erwerbsbevölkerung“, erklären die Forschenden. Denn durch den Anteil der Kinder, nicht-arbeitenden Elternteile und Rentner sinkt die auf die gesamte Menschheit gerechnete Arbeitszeit. Die tägliche Wirtschaftstätigkeit werde von der Land- und Viehwirtschaft dominiert, gefolgt von allokativen Tätigkeiten wie Handel, Finanzen und Recht.

Abweichende Tagesabläufe je nach Einkommen

Eine weitere Erkenntnis: Die Tagesabläufe von Menschen in Ländern mit hohem und niedrigem Pro-Kopf-Einkommen unterscheiden sich nicht systematisch voneinander. So ist zum Beispiel der Zeitaufwand für Aktivitäten wie Kochen und Körperpflege vergleichbar. Erhebliche Schwankungen gibt es allerdings bei der Beschaffung von Lebensmitteln. In wohlhabenden Ländern nimmt diese weniger als fünf Minuten täglich ein, in ärmeren Länden benötigen die Menschen dafür über eine Stunde.

„Dieser auffällige Trend kann weitgehend auf arbeitssparende Technologien zurückgeführt werden, die es ermöglichen, die gleiche Menge an Nahrungsmitteln in deutlich weniger Zeit zu produzieren“, erklären Fajzel und seine Kollegen. Während bei uns der nächste Supermarkt oft um die Ecke liegt oder wir bequem den Wocheneinkauf per Auto erledigen, müssen Menschen in den ärmsten Regionen häufig ihre Nahrung selbst vom Feld oder aus dem Garten holen oder zu Fuß weite Wege zum nächsten Laden zurücklegen.

Raum für Nachhaltigkeit

Die Forschenden sehen in ihrer Auswertung außerdem reichlich Potenzial zur Nachjustierung, um auf diese Weise globale Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Da die weltweite Energie- und Materialversorgung derzeit nur sechs Minuten und damit lediglich einen kleinen Bruchteil der Gesamtzeit in Anspruch nimmt, könnte diese geringe Zeitspanne genauso gut anders eingesetzt werden, argumentieren Fajzel und sein Team.

„Lösungen für den Klimawandel, wie zum Beispiel die Verlagerung von Arbeit weg von der fossilen Brennstoffindustrie und hin zum Aufbau einer globalen Infrastruktur für erneuerbare Energien, sind im Hinblick auf das globale Zeitbudget in hohem Maße machbar“, so die Forschenden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2219564120

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, McGill University

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