Biologie

Eine Spinne namens David Bowie

Prominente Namenspaten für Riesenkrabbenspinnen sollen auf Artensterben aufmerksam machen

Verblüffende Ähnlichkeit? Heteropoda davidbowie © Senckenberg Forschungsinstitute und Naturmuseen

Dass eine Spinne nach David Bowie, eine andere nach Udo Lindenberg benannt ist und auch andere Arten die Namen prominenter Musiker oder Kabarettisten tragen, lässt aufhorchen. Und genau das hat der Senckenberg-Wissenschaftler Peter Jäger bezweckt, als er in seiner aktuellen Publikation acht von insgesamt 25 neuen Arten prominenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens widmete. Unter den Namenspaten der Achtbeiner befinden sich auch der Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker und Jakob von Uexküll, der Initiator des Weltzukunftsrats und Stifter des Alternativen Nobelpreises.

So verschieden die „Promis“ auch erscheinen mögen, was sie eint, ist eine kritisch-wache Wahrnehmung von dem, was in der Welt geschieht. Ob auf der Bühne, im Hörsaal, im Parlament oder bei UN-Gipfeln; sie sind – jeder auf seine Art – kein bisschen leise. Angesichts des Artensterbens in Asien soll es nach Meinung des Senckenberg-Forschers auch ganz und gar nicht leise zugehen. Im Gegenteil.

Rapide schwindende Artenvielfalt

Die tropischen Regenwälder sind ein Hotspot der Artenvielfalt. Doch der Wunsch nach einem höheren Lebensstandard führt zu expansiver Landnutzung, zu Monokulturen und einem enormen Holzhunger, dem ganze Landstriche geopfert werden. Das erlebt auch Jäger bei seinen Expeditionen nach Laos und in andere Länder Asiens. Obwohl er von jeder Reise neue Spinnenarten mitbringt, ist nicht sicher, ob sie beim nächsten Besuch noch existieren. „Es ist ein Arbeiten gegen die Zeit. Mit den Arten verlieren wir momentan in kürzester Zeit auch genetische Ressourcen, die sich in mehr als 300 Millionen

Jahren entwickelt haben“, erläutert der passionierte Spinnenforscher seine Sorge.

Während der letzten zehn Jahre hat Peter Jäger 200 neue Spinnenarten am Senckenberg Forschungsinstitut untersucht und beschrieben. Die Evolution hat eine bunte Artenvielfalt hervorgebracht. Deutlich wird, dass jede einzelne Art sich – gleich einem Puzzle – passgenau in eine Nische ihres Lebensraums fügt und dort auch spezifische Aufgaben erfüllt. Grobe Eingriffe in die Natur bringen die fein aufeinander abgestimmten Systeme aus der Balance und haben für die Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen ernste Konsequenzen, die letztlich auch unsere eigene Existenz bedrohen.

„Mit der Zerstörung ganzer Landstriche gehen nicht nur grüne Biotope und einzelne Arten, sondern ganze Genpools unwiederbringlich verloren“, betont der Senckenberg-Wissenschaftler. Schlangengifte, die bei der Herstellung von Herzmedikamenten Verwendung finden oder das Extrakt aus dem ‚Madagaskar Immergrün‘, das Leukämie bei Kindern bekämpft, sind Beispiele für die Nutzung

natürlicher Ressourcen.

Nur 1,8 von 20 Millionen

Die Beschreibung von Arten, ob es nun Riesenkrabbenspinnen oder sonstige Tiere und Pflanzen sind, ist eine Voraussetzung für ein besseres Verständnis des Ganzen. Die Zahl der Organismen wird auf 20 Millionen geschätzt. Bekannt sind davon bisher nur etwa 1,8 Millionen Arten. Trotz eifriger Forschung weiß man aber noch immer nicht, wie das Gesamtkunstwerk Natur funktioniert und wie die verschiedenen Prozesse ineinander greifen. Jäger widmet die neu beschriebenen Arten bekannten Personen des öffentlichen Lebens, die ihn beeindrucken, amüsieren und zum Nachdenken anregen. Genau wie die Spinnen begleiten diese sein Leben; durch sie will er den Blick auf die Bedeutung der Arten lenken.

Von Jakob von Uexküll bis David Dowie

Dass eine Spinne aus Bali nun für alle Zeiten den Namen Heteropoda uexkuelli trägt, steht im Zusammenhang mit der Weltklimakonferenz, der ähnliche Ziele verfolgt wie der von Jakob von Uexküll gegründete Weltzukunftsrat. Auch die nach Ernst Ulrich von Weizsäcker benannte Art kommt von den indonesischen Inseln. Anlass für die besondere Widmung ist das Engagement des Naturwissenschaftlers und Politikers für ein ökologisch nachhaltiges Handeln.

Ein Achtbeiner von Ambon, der Hauptinsel der Molukken, ist Dieter Hildebrandt gewidmet. Mit dem Namen Heteropoda hildebrandti wird der Polit-Kabarettist als das „moralische Gewissen“ der Nation geehrt. Heteropoda richlingi verdankt ihren Namen der Sprachakrobatik, mit der Mathias Richling seine Bestandsaufnahmen der Gegenwart spickt und Zeitgenossen ebenso scharf wie sinnig parodiert.

Heteropoda udolindenberg, eine rötlich-braune Spinne aus Bukittinggi auf Sumatra, ist dem Umweltaktivisten, Weltverbesserer und erfolgreichen Rocker gewidmet. Die Heimat der Spinne, die nach dem Comedian Helge Schneider benannt wurde, liegt am Berg Jianfengling in der chinesischen Provinz Hainan. Kontrastreich wie ihr Namenspate David Bowie wirkt Heteropoda davidbowie. Markant hebt sich die ausgeprägte Zeichnung des Gesichts von der leuchtend gelben Grundfärbung der in Malaysia beheimateten Spinne ab. Aus Malaysia stammt auch Heteropoda ninahagen, die der Spinnenforscher der Punk-Sängerin Nina Hagen widmet.

Auch der „dumme Mensch“ ist Namenspate

Eine der weiteren 17 neu beschriebenen Spinnenarten heißt nicht ohne Grund Heteropoda homstu. Der Name ist von dem lateinischen Begriff „homo stultus“ abgeleitet, was soviel bedeutet wie „dummer Mensch“.Denn der vermeintliche Fortschritt, der der kontinuierlich wachsenden Bevölkerung mehr Jobs, mehr Geld und bessere Verkehrswege bringen soll, ist nicht nur in Asien die Säge am Ast, auf dem wir alle sitzen.“Wenn wir das Wettrennen gegen die Zerstörung der Natur gewinnen wollen, müssen neue Potenziale geschaffen werden“, sagt der Wissenschaftler, dem die Zeit unter den Nägeln brennt.Deshalb enthält der Name von Heteropoda duan das laotische Wort für dringlich.

„Die Menschenfamilie ist ein Panoptikum bunter und skurriler Zeitgenossen“, hat Udo Lindenberg mal gesagt. Weiter heißt es:“Farbenfroh, detailreich und voller neuer Perspektiven.“ Dass auch die Arten der „Familie“ Riesenkrabbenspinnen aus den verschiedenen Regionen Asiens farbig und detailreich sind, hat Peter Jäger in seiner Publikation beschrieben. Ob die Perspektiven für sie und uns alle gut sind oder zum „Grande Finale“ führen, liegt weitgehend in der Hand des Menschen.

(Senckenberg Forschungsinstitute und Naturmuseen, 17.07.2009 – NPO)

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