Schockspuren im Kristall: Wenn ein Asteroid einschlägt, hinterlassen die energiereichen Schockwellen typische, lamellenartige Veränderungen in Quarzmineralen. Doch erst jetzt haben Forscher aufgeklärt, wie diese glasartigen Lamellen im Quarzkristall entstehen. Im Hochdruck-Experiment konnten sie die Bildung dieser Schockstrukturen erstmals wie in Zeitlupe mitverfolgen – und entdeckten dabei eine zuvor unbekannte Übergangsstruktur. Erst aus diesem Hochdruckkristall entsteht bei Dekompression das amorphe Lamellenglas.
Ob Chicxulub, Tunguska oder der Nördlinger Ries: Im Laufe ihrer Geschichte wurde die Erde schon oft von Asteroiden und Meteoriten getroffen. Doch davon sind nur wenige Einschlagskrater erhalten geblieben, meist haben Erosion, Verwitterung und Plattenbewegungen längst alle Spuren dieser Ereignisse getilgt. Um einen vergangenen Einschlag zu identifizieren, nutzen Wissenschaftler daher oft mineralische Zeugen – neuartige Minerale, erstarrtes Gesteinsglas oder geschockten Quarz.
Rätsel um Lamellen im geschockten Quarz
Typisch für den von Schockwellen verformten Quarz sind mikroskopisch kleine Lamellen, in denen die normale Kristallstruktur des Siliziumdioxids in eine amorphe, glasartige Form umgewandelt ist. „Seit mehr als 60 Jahren dient dieses lamellenartige Glas als Indikator für einen Asteroideneinschlag, aber niemand wusste bisher, wie es überhaupt zu dieser Struktur kommt“, sagt Koautor Peter Liermann vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg.
Einige Wissenschaftler vermuteten, dass die Glaslamellen direkt durch die von den Schockwellen verursachte Kompression des Silikats entstehen, andere hielten die Lamellen dagegen für eine erst nach Nachlassen des Drucks gebildete Struktur. Um mehr Klarheit zu schaffen, hat das Team um Liermann und Erstautor Christoph Otzen von der Universität Jena nun einen Asteroideneinschlag im Labor nachgestellt und quasi in Zeitlupe ablaufen lassen.
Dafür setzten die Forscher kleine Plättchen aus Siliziumdioxid in einer Diamantstempelzelle Drücken bis zu 26 Gigapascal aus und durchleuchteten sie währenddessen mit dem hochfokussiertem Röntgenlicht der DESY-Röntgenquelle PETRA III. „Die Kunst ist es, den simulierten Asteroideneinschlag langsam genug ablaufen zu lassen, um ihn im Röntgenlicht verfolgen zu können, aber schnell genug, dass die für einen Asteroideneinschlag typischen Effekte noch entstehen können“, erklärt Liermann.
Neuartige Hochdruck-Zwischenform
Das Hochdruck-Experiment enthüllte Überraschendes: „Wir konnten beobachten, dass sich die Quarzstruktur bei einem Druck von ungefähr 180.000 Atmosphären plötzlich in eine enger gepackte Übergangsstruktur umwandelt“, berichtet Otzen. „In dieser Kristallstruktur schrumpft der Quarz um ein Drittel seines Volumens.“ Dies geschieht, weil die Atome des Kristallgitters sich zu einer neuen kompakteren Anordnung umlagern, die die Forscher als Rosiait-Struktur identifizierten.
In dieser Hochdruck-Kristallform wechseln sich Schichten unterschiedlich miteinander verknüpfter Siliziumatome miteinander ab. „Je höher der Druck steigt, desto größer wird der Anteil mit Rosiait-artiger Struktur im Quarz“, erläutert Otzen. Das Entscheidende jedoch: „Lässt der Druck wieder nach, wandeln sich die Rosiait-artigen Lamellen aber nicht in die ursprüngliche Struktur von Quarz zurück, sondern sie kollabieren zu Glaslamellen mit ungeordneter Struktur.“
Glaslamellen erst bei Dekompression
Damit belegt das Experiment: Die glasartigen Lamellen im geschockten Quarz entstehen über eine metastabile Zwischenform mit Rosiait-Struktur, die nur bei Drücken über 15 Gigapascal stabil bleibt. Bei der anschließenden Dekompression kollabiert diese Kristallstruktur und wird zu den amorphen Lamellen. Menge und Orientierung der Lamellen lassen dabei Rückschlüsse auf den Druck beim Einschlag zu.
Diese Ergebnisse klären die seit 60 Jahren diskutierte Streitfrage, wie die für Einschläge typische Lamellenstruktur im geschockten Quarz entsteht. „Dieses Jahrzehnte alte Rätsel haben wir nun gelöst“, sagt Liermann. Dies hilft, Spuren vergangener Einschläge besser zu verstehen, und hat möglicherweise darüber hinaus auch Bedeutung: „Was wir beobachtet haben, könnte eine Modellstudie für die Glasbildung auch ganz anderer Materialien wie beispielsweise Eis sein“, sagt Otzens Kollege Falco Langenhorst.
„Eventuell ist es ein typischer Weg, dass eine Kristallstruktur sich bei schneller Kompression in einem Zwischenschritt in eine metastabilen Phase umwandelt, die dann in die ungeordnete Glasstruktur übergeht“, so der Forscher weiter. „Das wollen wir weiter untersuchen, denn das wäre von großer Bedeutung für die Materialforschung!“ (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-36320-7)
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Friedrich-Schiller-Universität Jena