Geowissen

Einzigartige Schlote im Toten Meer entdeckt

Schnellwachsende "Schornsteine" aus Salz entstehen auf neuartige Weise

Halitschlote im Toten Meer
Diese weißlichen Gebilde sind neuartige Schlote aus Salzkristallen, die Forschende am Grund des Toten Meeres entdeckt haben. © Sibert et al./ Science of the Total Environment, CC-by 4.0

Spektakuläre Entdeckung: Am Grund des Toten Meeres haben Forschende einen völlig neuen Typ unterseeischer Schlote entdeckt. Sie können pro Tag um mehrere Zentimeter wachsen und bestehen komplett aus weißlichen Salzkristallen. Das Überraschende jedoch: Das Salz stammt nicht aus dem Wasser des Toten Meeres, sondern aus tiefen, tausende Jahre alten Salzschichten im Untergrund. Das Grundwasser löst diese Salze auf und tritt dann am Grund des Sees aus. Das erklärt auch ein weiteres geologisches Phänomen am Toten Meer.

Das Tote Meer ist der am tiefsten liegende Ort der Erde – sein Wasserspiegel liegt 437 Meter unter dem Meeresspiegel. Gleichzeitig ist dieser See eines der salzigsten Gewässer der Erde: Das Wasser im Toten Meer hat einen zehnmal höheren Salzgehalt als das Mittelmeer. Weil die Verdunstung höher ist als der Wassernachschub, sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres zudem seit Jahrzehnten immer weiter ab – im Schnitt um einen Meter pro Jahr. Das hat Folgen: Rund um den See sind tausende mehrere Dutzende Meter große und tiefe Einsturzlöcher entstanden, weil der Untergrund instabil wird

Salzschlot
Dieser einzeln stehende submarine Schlot liegt in etwa 30 Meter Wassertiefe am Grund des Toten Meeres. © UFZ

Schlanke Schlote komplett aus Salz

Ein ganz neues Phänomen hat nun ein Team um den Hydrogeologen Christian Siebert vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) entdeckt. Bei Tauchgängen im Toten Meer stießen sie am Seegrund auf weißliche, schlotförmige Kamine, die eine schimmernde Flüssigkeit ausstoßen. Viele dieser schlanken Schlote waren ein bis zwei Meter hoch, einige erreichten aber auch sieben Meter Höhe und en Dicke von mehr als zwei bis drei Metern. „Die Ähnlichkeit zu den Schwarzen Rauchern in der Tiefsee ist frappierend, aber es handelt sich um ein gänzlich anderes System“, berichtet Siebert.

Der erste Unterschied: Die weißen Schlote des Toten Meeres bestehen komplett aus Halit – kristallinem Kochsalz. An der Spitze der schornsteinähnlichen Formationen bildet dieses Salz feine, verzweigte Kristallnadeln. „Diese wandeln sich im Laufe der Zeit durch Rekristallisation in würfelförmige Kristalle von mehrere Zentimetern Größe um“, erklären die Forschenden. Diese kubischen Salzkristalle bilden dann die feste Basis und das Innere der Schlote.

Austrittsorte für kalte Sole

Die zweite Besonderheit: Anders als bei Schwarzen Rauchern und anderen hydrothermalen Schloten speien die Schlote im Toten Meer kein heißes, sulfid-oder karbonathaltiges Wasser. Stattdessen tritt aus ihnen eine kalte, extrem salzhaltige Sole aus. „Darin unterscheiden sie sich von allen bekannten Arten unterseeischer Schlote“, berichten Siebert und seine Kollegen. Gleichzeitig sind die Halit-Schlote des Toten Meeres aber auch keine bloßen Ablagerungen des umgebenden salzigen Seewassers.

Ionenntransport in Schloten
CT-Scan eines Halitschlots. Die Elementkürzel und Pfeile zeigen den Ionengehalt und Transport zwischen Sole und Seewaser für zwei dieser Schlote (JB, Darga) © Sibert et al./ Science of the Total Environment, CC-by 4.0

Stattdessen entstehen die weißen, schnellwachsenden Salzkristall-Schlote durch die Interaktion der austretenden Sole mit dem Seewasser. „Da diese Sole eine etwas geringere Dichte als das Wasser des Toten Meers hat, steigt sie wie in einem Jet nach oben. Es sieht aus wie Rauch, ist aber eine salzhaltige Flüssigkeit“, erklärt Siebert. Bei Kontakt mit dem noch salzigeren Seewasser kommt es zu einem Austausch von Ionen, durch den das Wasser am Ausgang der Schlote mit Salz übersättigt wird. Als Folge kristallisiert Kochsalz in Form von Halitkristallen aus. Pro Tag kann ein Schlot dadurch um mehrere Zentimeter wachsen, wie das Team beobachtete.

Grundwasser als Salzlieferant

Aber warum ist die austretende Sole so salzig? Und wo kommt sie her? Isotopenanalysen und Untersuchungen der im Schlotwasser gefundenen Mikroben enthüllten, dass die Schlote im Toten Meer von Grundwasser aus den umgebenden judäischen Bergen gespeist werden. Dieses strömt aus in die Senke des Toten Meeres ein und durchfließt dabei tiefe, mehrere tausend Jahre alte Untergrundschichten.

„Dabei erreicht das Grundwasser auch tief vergrabene massive Halitschichten“, berichten die Forschenden. Diese dicken Salzschichten wurden abgelagert, als sich das Klima vor rund 10.000 Jahren wandelte und der damals existierende Lake Lisan schrumpfte und schließlich zum Toten Meer wurde. Wenn nun das Grundwasser durch diese Schichten strömt, löst es Teile des Salzes auf und transportiert diese bis unter das Tote Meer. Dort quillt es dann aus dem Seegrund und lässt die weißen Halitschlote entstehen.

Tauchgang zu den neu entdeckten Salzschloten im Toten Meer.© UFZ

Schlote als Frühwarner vor Einsturzlöchern?

Doch die neu entdeckten Schlote im Toten Meer sind nicht nur eine geologische Rarität – sie könnten auch einen ganz praktischen Nutzen haben. Denn wie Siebert und sein Team beobachteten, bilden sich diese Schlote immer dort, wo kurze Zeit später neue Einsturzlöcher am Seeufer entstehen. „Die Halitschlote sind damit Indikatoren für eine aktuelle und intensive Auflösung der unterirdischen Halitschichten“, schreiben die Forschenden.

Damit könnten die Schlote als eine Art Frühwarnsystem genutzt werden. „Niemand kann bislang vorhersagen, wo die Sinkholes als nächstes auftreten. Dabei sind sie lebensgefährlich und bedrohen die Landwirtschaft und Infrastruktur“, sagt Siebert. Wenn man aber die Schlote kartiert, könnte dies verraten, welche Gebiete am Seeufer besonders gefährdet sind. „Das wäre die bislang einzige und zugleich sehr effiziente Möglichkeit, Regionen, die kurz vor dem Einsturz stehen, als akut gefährdet auszuweisen.“ (Science of the Total Environment, 2024; doi: 10.1016/j.scitotenv.2024.176752)

Quelle: Science of the Total Environment , Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

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