Eine warme Oase in der Eiswüste: In Tschechien haben Paläontologen die Überreste von hydrothermalen Quellen aus der letzten großen Eiszeit gefunden. Mit einer geschätzten Wassertemperatur von 15 bis 35 Grad schufen diese warmen Quellen einst ein gemäßigtes lokales Mikroklima, in dem wärmeliebende Bäume wie Eichen, Linden und Ulmen gedeihen und bis in die Neuzeit überdauern konnten. Doch woher kam das warme Wasser?
Während des Höhepunktes der letzten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren war Nordeuropa von riesigen Eisschilden bedeckt, selbst im Bayerischen Wald gab es noch Gletscher. Während die Tiere der Eiszeit in wärmere Gebiete abwandern konnten, hatten die Pflanzen diese Möglichkeit nicht. Theoretisch hätten also einige wärmeliebende Bäume wie Eichen und Linden die letzte Eiszeit in Mitteleuropa nicht überstehen dürfen. Doch wie gelang es ihnen trotzdem?
Den Baumrefugien auf der Spur
Eine schon lange debattierte Theorie geht davon aus, dass die Bäume der gemäßigten Breiten in besonderen Refugien überlebten: rund um hydrothermale Quellen, die wie Oasen ein warmes Mikroklima inmitten der Eiswüsten schufen. Als sich das Klima dann wieder erwärmte und die Eisschilde verschwanden, konnten die Bäume sich von diesen Refugien aus erneut über ganz Mittel- und Nordeuropa verbreiten. Das Problem: Bislang fehlten eindeutige fossile Beweise für dieses Szenario.
Doch im tschechischen Südmähren könnten Forschende um Jan Hošek vom Tschechischen Geologischen Dienst nun genau diese Beweise gefunden haben. Auf einer Fläche von rund 50 Quadratkilometern entdeckte das Team 178 ungewöhnliche, muldenartige Vertiefungen in der Erdoberfläche, die mit sandigem Sediment aus dem Kältehöhepunkt der letzten Eiszeit gefüllt sind.
Um herauszufinden, ob es sich bei diesen Mulden tatsächlich um die Überreste von hydrothermalen Quellen handeln könnte, beprobten Hošek und seine Kollegen sowohl das Sediment als auch darin enthaltene Pollen und Pflanzenüberreste.
Warme Oasen in der Eiswüste
Und tatsächlich: „Wir interpretieren diese Ablagerungen als Kieselsäuresinter – Überreste alter heißer Quellen, die sich bildeten, als warmes, nahezu pH-neutrales Wasser, das in Bezug auf Kieselsäure übersättigt war, abkühlte und an der Oberfläche verdampfte“, berichten Hošek und seine Kollegen. Die fossilen Sinter seien dabei fast identisch mit solchen, die in heutigen heißen Quellen in Nordamerika entstehen.
Wie die Datierungen zeigen, sickerte das warme Wasser in der Zeit vor rund 35.000 bis 11.000 Jahren kontinuierlich an die Oberfläche und schuf so gemäßigte Oasen inmitten eisiger Landschaften. Dass diese auch wirklich als Refugien für wärmeliebende Bäume dienten, zeigen wiederum die gefundenen fossilen Pollen. Sie bestätigen das Vorkommen zahlreicher Laubbäume wie Eichen, Linden, Ulmen und Schwarz-Erlen in unmittelbarer Nähe der Thermalquellen.
„Dies steht im Gegensatz zu dem Pollensignal im Hintergrund, das die Zwergbirke (Betula nana) und für periglaziale offene Landschaften charakteristische krautige Taxa enthält. Wir betrachten diesen Kontrast als einen starken Beleg für den Umweltkontrast zwischen lokalen, mikroklimatisch verbesserten Bedingungen und einer deutlich raueren periglazialen Landschaft im weiteren Umfeld“, erklären Hošek und sein Team.
Woher kam das warme Wasser?
Doch wie sind diese hydrothermalen Quellen einst entstanden? Die Forschenden haben folgendes Szenario rekonstruiert: In den Sommermonaten und während vorübergehend wärmerer Phasen schmolzen Teile der lokalen Eiszeit-Gletscher und gelangten als Wasser in über fünf Kilometer Tiefe unter das Untersuchungsgebiet in Südmähren. Dort reicherten sich die Wassermassen mit Kieselsäure an und wurden von der in der Erdkruste herrschenden Hitze auf circa 175 Grad aufgeheizt.
Tektonische Kräfte und von Gletschern ausgeübter Druck sorgten schließlich dafür, dass das hydrothermale Wasser wieder an die Erdoberfläche gepresst wurde. Zwar verlor es dabei einiges an Hitze, war aber wahrscheinlich immer noch 15 bis 35 Grad warm, wie Hošek und seine Kollegen vermuten. Als sich die Gletscher nach der Eiszeit zurückzogen, versiegten auch die Quellen.
Da hydrothermale Abflüsse dieser Art im östlichen Mitteleuropa relativ häufig sind, könnte es nach Ansicht der Forschenden viele weitere eiszeitliche Baumrefugien gegeben haben, die unseren typisch mitteleuropäischen Arten den Weg in die Neuzeit ebneten. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.ado6611)
Quelle: Science Advances