Einzigartiger Einblick in den Bronzezeit-Alltag: Archäologen haben im Osten Englands eine außergewöhnlich gut erhaltene Bronzezeit-Siedlung ausgegraben. Ein Feuer zerstörte zwar Teile der damals auf Stelzen am Flussufer errichteten Gebäude, doch der Flussschlamm konservierte Kleidung, Schmuck, und sogar noch Kochgeschirr mit Resten von Mahlzeiten darin. Der Fund gleiche damit einer Zeitkapsel aus der Vergangenheit, so die Forscher.
Die Region bei Whittleshire in East Anglia gehört zum ostenglischen Fen – einem ausgedehnten Feuchtgebiet mit Sümpfen, unzähligen Flussläufen und Tümpeln. Doch verborgen im Schlamm liegen hier auch eindrucksvolle Zeugnisse der Vergangenheit, wie sich nun zeigt. Archäologen der University of Cambridge und der Organisation Historic England haben zwei Meter unter der heutigen Oberfläche des Fens die ungewöhnlich gut erhaltenen Überreste einer ganzen Siedlung aus der Bronzezeit entdeckt.
Erst Feuer, dann Schlamm
Das Besondere daran: Ähnlich wie im italienischen Pompeji sorgten eine Katastrophe und eine Verkettung günstiger Bedingungen dafür, dass Häuser, Alltagsgegenstände und sogar Essensreste die Jahrtausende nahezu unversehrt überstanden. Im Falle der Bronzezeit-Siedlung war es ein Feuer, dass Teile der Gebäude zerstörte und die Bewohner Hals über Kopf flüchten ließ. Dabei ließen sie nahezu alle ihre Habe zurück.
Weil die Häuser der Siedlung auf Stelzen direkt über dem Fluss gebaut waren, fielen sie schon bald nach Beginn des Brandes in das Wasser und wurden im Flussschlamm eingeschlossen und so konserviert. „Das dramatische Feuer vor 3.000 Jahren kombiniert mit dieser Konservierung hat uns eine Art Zeitkapsel hinterlassen – einen Schnappschuss der Vergangenheit“, sagt Duncan Wilson, Projektleiter von Historic England.
3.000 Jahre alte Zeitkapsel
Bei ihren Ausgrabungen förderten die Archäologen Balken und Teile der Dachkonstruktion der bronzezeitlichen Rundhäuser zutage. An ihnen sind sogar noch Werkzeugspuren zu erkennen, wie sie berichten. Auch die Pfosten einer Palisade blieben im Schlamm erhalten. Die Siedlung war um 1200 bis 800 vor Christus wahrscheinlich die Heimat mehrerer Familien, die in den Stelzenhäusern lebten. Ihre Fußabdrücke blieben bis heute im ehemaligen Flussschlamm erhalten.
Im Inneren der Häuser fanden die Forscher gut erhaltene Kleidungsreste der Bewohner, darunter auch Textilien aus feingewebter Lindenborke, außerdem Becher und Tongefäße mit Resten von Mahlzeiten darin. „Das gibt uns einen lebendigen Einblick in das Leben der Bronzezeit“, sagt Wilson. „Wir sehen, welche Nahrung unsere Vorfahren aßen, und in welchen Gefäßen sie sie kochten und servierten. Auch davon, wie ihre Räume aussahen, bekommen wir eine Vorstellung.“
Rätselhafter Schmuck
Nach Angaben der Archäologen handelt es sich bei dieser Entdeckung um die besterhaltene Bronzezeit-Siedlung in ganz Großbritannien und einen Fund von internationaler Bedeutung. Zu ihrer Überraschung stießen die Forscher auch auf die Reste einer kunstvollen Halskette aus exotischen, bunten Glasperlen. Woher diese stammen und warum diese Sumpfbewohner diesen für diese Gegend und Zeit ungewöhnlich aufwendigen Schmuck besaßen, ist bisher unklar.
„Normalerweise findet man bei Überresten aus der späten Bronzezeit nur noch die Spuren von Feuerstellen und vielleicht ein oder zwei interessante Metallobjekte“, sagt David Gibson von der University of Cambridge. „Aber hier ist so viel mehr erhalten – diese prähistorischen Funde sind einzigartig sowohl in ihrer Vielfalt als auch Menge.“
Die Archäologen wollen ihre Ausgrabungen an dieser Stelle und in der Region weiter fortsetzen. Denn sie vermuten, dass sich noch viele weitere Funde unter der Oberfläche des Fens verbergen. „Es spricht alles dafür, dass dieser Fund kein Einzelfall ist, sondern nur einen Ausschnitt einer bisher unentdeckten Gesellschaft darstellt, die vor 3.000 Jahren in Großbritanniens größtem Feuchtgebiet lebte“, sagt Grabungsleiter Mark Knight.
(Historic England, 13.01.2016 – NPO)