Spannender Fund: Geologen haben im Südwesten Englands eine verborgene Plattengrenze entdeckt – sie trennt Cornwall vom Norden Devons. Damit ist Großbritannien einst nicht nur aus zwei, sondern aus gleich drei Erdplatten entstanden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Die Grenze zwischen den Urzeitkontinenten Avalonia und Armorica liegt demnach nicht wie angenommen unter dem heutigen Ärmelkanal, sondern weiter nördlich.
Großbritannien war nicht immer eine Einheit – auch geologisch nicht. Denn quer durch die Insel verläuft eine urzeitliche Plattengrenze. Sie trennt Schottland und Nordengland von Wales und Mittelengland ab. Diese Grenze markiert den Bereich, in dem vor rund 400 Millionen Jahren die Urkontinente Laurentia und Avalonia miteinander kollidierten. Gängiger Theorie nach entstand Großbritannien demnach einst aus zwei Erdplatten.
Nahtstelle unter dem Ärmelkanal?
Doch es gibt noch eine weitere Plattengrenze: Sie trennt das einstige Avalonia vom Urkontinent Armorica, auf dem heute Frankreich und weitere Teile Kontinentaleuropas liegen. „Im Silur und Devon waren Armorica und Avalonia noch durch ein dazwischenliegendes Meeresbecken getrennt“, berichten Arjan Dijkstra und Callum Hatch von der University of Plymouth. Als dann die Kontinentaldrift dieses Becken schloss, blieb nur eine alte Nahtstelle zurück.
Bisher vermuteten Geologen diese urzeitliche Plattengrenze südlich der Britischen Inseln: „Man hat immer angenommen, dass die Grenze zwischen Avalonia und Armorica unter dem Ärmelkanal verlief – er scheint ja quasi eine natürliche Nahtstelle zu sein“, sagt Dijkstra. Doch wie er und sein Kollege nun entdeckt haben, ist das ein Irrtum.
Geologische Grenze trennt Südwesten Englands
Für ihre Studie entnahmen die Forscher an 22 Orten in Cornwall und Devon Gesteinsproben aus Formationen, in denen Adern eines urzeitlichen Lavagesteins vorkommen. Diese sogenannten Lamprophyre gelten als mögliche Anzeiger für eine Subduktion – die Kollision zweier Erdplatten, bei der eine unter die andere abtaucht. Über die Analysen der Strontium- und Neodym-Isotope im Gestein gelang es den Geologen, die Geschichte dieser Formationen zu rekonstruieren.
Das überraschende Ergebnis: Die Proben aus Cornwall und Süddevon zeigten klare Unterschiede zu denen aus weiter nördlich gelegenen Probenstellen. Erstaunlich auch: Die Proben aus Cornwall waren in ihren Isotopenwerten nahezu identisch mit gleichalten Lamprophyren aus dem Armorica-Gebiet jenseits des Ärmelkanals.
Verborgenes Fragment Armoricas
„Unsere Daten sprechen dafür, dass eine klare geologische Grenze Cornwall und den Süden Devons vom Rest Englands trennt“, konstatiert Dijkstra. „Auch wenn es an der Oberfläche keine sichtbare Naht gibt, liegt hier eine Grenze.“ Und nicht nur das: Das Gebiet, das südlich dieser geologischen Nahtstelle liegt, muss zum Urzeit-Kontinent Armorica gehören, wie die Forscher erklären.
Das aber bedeutet: Entgegen bisherigen Annahmen verläuft die alte Grenze zwischen Avalonia und Armorica nicht unter dem Ärmelkanal, sondern durch den Südwesten Englands. Obwohl heute der Ärmelkanal die Bretagne von Cornwall getrennt, haben beide demnach denselben geologischen Ursprung. „Das eröffnet eine völlig neue Sicht darauf, wie Großbritannien einst geformt wurde“, sagt Dijkstra. Denn Großbritannien ist demnach nicht nur aus zwei urzeitlichen Kontinentalplatten entstanden, sondern aus drei.
Erklärung für Erzreichtum Cornwalls
„Wir wussten ja schon vorher, dass man noch vor rund 10.000 Jahren trockenen Fußes von England nach Frankreich laufen konnte“, sagt Dijkstra. „Aber jetzt wissen wir, dass die Verbindung zwischen den beiden Ländern schon Millionen Jahre älter ist.“ Dies könnte auch erklären, warum es in Südwest-England wie in der Bretagne besonders viele Zinn- und Wolframvorkommen gibt, im Rest Englands dagegen nicht:
Wie die Geologen berichten, enthält die untere Kruste Armoricas metallreiche Formationen, die durch die urzeitlichen Plattenbewegungen und vulkanische Aktivität in diesen Gebieten nach oben befördert wurden. „Das erklärt den immensen Mineralreichtum Südwest-Englands, der zuvor eher ein Rätsel war“, sagt Dijkstra. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-06253-7)
(University of Plymouth, 17.09.2018 – NPO)