Staub statt Brocken? Der größte Teil unseres Planeten könnte in nur fünf Millionen Jahren entstanden sein – weit schneller als bislang gedacht, wie Forscher berichten. Statt allmählich aus Kollisionen immer größerer Planetenbausteine heranzuwachsen, bildete sich die Proto-Erde demnach rapide aus einer Zusammenballung von Staub in der Urwolke. Indizien für diesen Prozess haben die Wissenschaftler bei Vergleichsanalysen von Meteoriten- und Erdgestein gefunden.
Gängiger Theorie nach bildeten sich die Erde und die anderen Gesteinsplaneten des Sonnensystems langsam und in mehreren Phasen. Durch Turbulenzen in der Urwolke entstanden zunächst Objekte mit mehreren hundert Kilometern Größe, die dann durch ihre Schwerkraft allmählich immer mehr staubkorngroße Partikel an sich zogen. Als sich dann die Urwolke rund vier bis fünf Millionen Jahre nach ihrer Entstehung wieder auflöste, wuchsen die Planetenembryos im Laufe weiterer Millionen Jahre durch Kollisionen untereinander zu Protoplaneten heran – soweit das gängige Szenario.
Aus solarem Staub statt Brocken?
Doch es gibt ein alternatives Szenario: „Die andere Möglichkeit ist, dass die Erde sich aus Staub zusammenballte – millimeterkleinen Körnchen, die auf den wachsenden Himmelskörper regneten und ihn in einem Rutsch bildeten“, erklärt Erstautor Martin Schiller von der Universität Kopenhagen. Das würde bedeuten, dass die Hauptakkretionsphase der Erde komplett in der protoplanetaren Scheibe ablief – in den ersten fünf Millionen Jahren des Sonnensystems.
Erste Indizien für dieses beschleunigte Wachstum lieferten schon vor einiger Zeit Beobachtungen an Asteroiden, aber auch neuere Modelle der Planetenbildung, wie Schiller und sein Team berichten. Sollte dieses Szenario stimmen, müsste sich dies jedoch durch Vergleiche der Eisenisotop-Verteilung von Erdmantel und Meteoriten feststellen lassen. Denn wenn ein Großteil unseres Planeten erst durch späte Kollisionen mit größeren Brocken entstand, dann müssten die übrig gebliebenen Brocken – Asteroiden – dessen Zusammensetzung widerspiegeln.
Eisen-Isotope als Indizien
Ob das der Fall ist, haben Schiller und sein Team nun untersucht. Dafür analysierten sie Proben verschiedener Meteoriten sowie irdische Gesteinsproben auf ihren Gehalt verschiedener Eisenisotope hin. Besonderes Augenmerk richteten sie dabei auf das Verhältnis von Eisen-54 zu Eisen-56. Dabei zeigte sich, dass nur eine Art von Meteoritenmaterial die gleiche Verteilung von Eisenisotopen enthält wie die heutige Erde: die sogenannten CI-Chondriten.
„Wenn die junge Erde erst durch zufällige Kollisionen verschiedener Brocken zum ausgewachsenen Planeten wurde, dann dürfte ihre Eisenzusammensetzung nicht nur zu einem Meteoritentyp passen“, sagt Schiller. „Man müsste eine Mischung vorfinden.“ Denn gegen Ende der nach gängiger Theorie angenommenen Akkretionsphase müssten Brocken aus unterschiedlichen Zonen des Sonnensystems mit der Proto-Erde kollidiert sein. „Aber die einzige Chondritengruppe, die zur terrestrischen Eisenzusammensetzung passt, sind die CI-Chondriten“, so die Forscher.
Proto-Planet schon nach fünf Millionen Jahren
Das Interessante daran: CI-Chondriten gelten als die Meteoriten, deren Zusammensetzung der der Urwolke und der Sonne am nächsten kommen. „Die einzige Zeit, in der CI-ähnliches Material in der Bildungszone der erdähnlichen Planeten reichlich verfügbar war, war während der Lebensdauer der protoplanetaren Scheibe“, erklären Schiller und seine Kollegen. Ihrer Ansicht nach muss die Erde daher deutlich früher herangewachsen sein als bislang angenommen.
Ihren Szenario zufolge ballte sich die Proto-Erde relativ schnell aus dem kosmischen Staub der protoplanetaren Scheibe zusammen. Innerhalb von nur fünf Millionen Jahren – und damit noch innerhalb der Lebensdauer der Urwolke – hatte unser Planet bereits 80 Prozent seiner heutigen Masse erreicht. „Diese Periode repräsentiert die Zeit, in der das Wachstum der Proto-Sonne einfallendes Material durch die Scheibe zu sich zog“, erklären die Forscher. Dieser Prozess ermöglichte ihrer Ansicht nach auch das rasche Wachstum der Erde.
Wasser aus der Urwolke
Sollte sich dieses Szenario bestätigen, könnte dies auch erklären, woher die frühe Erde ihr Wasser bekam. Denn der frühe Staub der protoplanetaren Scheibe war noch nicht durch die intensive Sonnenstrahlung ausgetrocknet. Er enthielt daher noch mehr flüchtige Elemente als das Material aus der späteren Planetenbildungszeit. „Wasser wäre dann nur ein Nebenprodukt bei der Bildung eines Planeten wie der Erde“, sagt Schiller.
Lange vermuteten Planetenforscher zwar, dass die Urerde einen Großteil ihres Wassers durch Einschläge von Kometen und wasserreichen Asteroiden erhielt. Doch Messdaten von Kometen stellen diese Annahme inzwischen in Frage. Denn die Isotopensignatur des Kometenwassers stimmt nicht mit der des irdischen Wassers überein. Schon 2018 stellten Wissenschaftler daher die These auf, dass die junge Erde ihr Wasser schon aus der Urwolke mitbekommen haben könnte. Die Ergebnisse von Schiller und seinem Team stützen dies nun. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aay7604)
Quelle: University of Copenhagen