Subtile Warnung: Bisher gelten Erdbeben als nicht vorhersagbar, aber nun haben Forscher doch ein mögliches Vorwarnzeichen identifiziert. Rund zwei Stunden vor dem Beben zeigt sich unter dem Epizentrum eine subtile, aber exponentielle Zunahme der Untergrundverschiebungen, wie GPS-Messdaten für 100 Starkbeben weltweit nahelegen. Allerdings ist dieses Vorwarnzeichen so schwach, dass es bisher für einzelne Risikogebiete kaum messbar ist. Das könnte sich aber mit besseren Messnetzen ändern, wie das Team in „Science“ berichtet.
Ob Istanbul, Los Angeles oder San Francisco: Viele Millionenstädte weltweit gelten als akut erdbebengefährdet. Sie liegen direkt an aktiven tektonischen Verwerfungen, deren aufgestaute Spannung sich in einem Starkbeben zu entladen droht. Doch wann genau und an welcher Stelle es dazu kommt, ist offen. Denn eine Vielzahl von Faktoren – von der Spannung im Untergrund über Interaktionen von Bruchzonen bis hin zu seismischen Fernwirkungen – beeinflussen die Wahrscheinlichkeit dafür. Bisher gelten Erdbeben daher als nicht vorhersagbar.
Kündigen sich Starkbeben vorher an?
Doch das könnte sich ändern: „Im letzten Jahrzehnt hat sich die Annahme erhärtet, dass starke Erdbeben mit einer langsamen Phase aseismischer Verschiebungen an der Verwerfung beginnen, die mit vermehrten Mikrobeben verbunden ist“, erklären Quentin Bletery und Jean-Mathieu Nocquet von der Universität der Côte d’Azur. Kurz vor dem Brechen des Gesteins verschieben sich demnach die Ränder der angrenzenden Platten langsam gegeneinander und lösen dabei Tage bis Stunden vor dem Ernstfall einen Anstieg der Mikrobeben aus.
Diese zu identifizieren, ist allerdings in der Praxis extrem schwierig. Bisher konnten Seismologen nur bei einigen wenigen Starkbeben im Nachhinein auffallende Ruckelbewegungen feststellen. „Hinzu kommt, dass die mit den langsamen aseismischen Verschiebungen verbundene Mikroseismizität auch zu anderen Zeiten auftritt und die meiste Zeit dann kein Starkbeben folgt“, berichten die Forscher. Es ist daher fast unmöglich, aus den ständigen schwachen Erschütterungen entlang der Verwerfungen ein echtes Vorwarnzeichen herauszulesen.