Erdbeben, Hangrutschungen, Tsunamis – solche Katastrophen sind auch im Mittelmeer möglich. Das deutsche Forschungsschiff METEOR soll nun im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts tektonische Plattengrenzen im Mittelmeer genauer erforschen und kartieren. Das Gefahrenpotenzial der beliebten Tourismus-Region soll damit in Zukunft besser abschätzbar sein.
Das Mittelmeer ist eine der beliebtesten Urlaubsregionen – sonniges Wetter, mediterranes Lebensgefühl und die Zeugnisse antiker Kultur locken gleichermaßen Touristen an. Gleichzeitig ist der Mittelmeerraum aber eine äußerst dynamische Region, wo mehrere Erdplatten aneinander stoßen: Die Afrikanische Platte schiebt sich von Süden her unter die Eurasische, von Osten her drängt die Arabische Platte heran.
Plattengedränge mit unbekannten Grenzen
Durch dieses Gedränge kommt es immer wieder zu Naturkatastrophen, die in der Vergangenheit zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Obwohl rund 250 Millionen Menschen im Einzugsbereich des Mittelmeers leben, sind die dortigen Gefahrenpotenziale von Erdbeben und Tsunamis bisher nur unzureichend erforscht – der genaue Verlauf der Plattengrenzen und kleineren Brüche dazwischen ist streckenweise unbekannt. Wissenschaftler des europäischen DIONYSOS-Projekts wollen darum jetzt die Plattengrenzen zwischen Europäischer und Afrikanischer Erdplatte vor Sizilien und Malta genau untersuchen.
Am 10. Oktober wird dafür das Forschungsschiff METEOR vom sizilianischen Hafen Catania ins Untersuchungsgebiet südöstlich von Sizilien auslaufen. „Die Region ist deshalb von großem Interesse, weil sie in der Vergangenheit wiederholt von verheerenden Erdbeben und Tsunamis getroffen wurde“, erklärt Fahrtleiterin Heidrun Kopp vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Seismische Tomographie ins Erdinnere
So forderte ein Erdbeben in der Meerenge von Messina im Jahr 1908 sowie ein darauf folgender Tsunami 72.000 Menschenleben. „Heute wäre die Opferzahl sicherlich um ein Vielfaches höher“, betont die Geophysikerin, „schließlich sind Küsten mittlerweile deutlich dichter besiedelt“. Bisher verstehen die Forscher die Ursachen für die wiederholten Erdbeben in dieser Region noch nicht im Detail. Es ist aber bekannt, dass diese unterseeischen Erschütterungen regelmäßig auch Tsunamis auslösen, die zu weiteren Zerstörungen führen. „Unsere Arbeiten leisten daher einen direkten Beitrag zur regionalen Gefährdungsanalyse vor Ort“, sagt Kopp.
Bis in Tiefen von 30 Kilometern wollen die Forscher den Ozeanboden während der 24-tägigen Ausfahrt der METEOR erforschen. Dazu setzen sie sogenannte Ozeanbodenseismometer (OBS) in 3.500 Metern Tiefe am Meeresboden ab. Diese Geräte registrieren und seismische Wellen, die durch das Erdinnere laufen und an verschiedenen Gesteinsschichten unterschiedlich abgelenkt und reflektiert werden. „So können wir ähnlich wie bei einer Computertomographie das Erdinnere durchleuchten“, führt Kopp aus.
Hochauflösende Aufzeichnungen von See bis auf den Ätna
Um auch Detailstrukturen in großer Tiefe hochauflösend abbilden zu können, ist eine große Anzahl an Instrumenten vonnöten. Daher stellen das GEOMAR und das ebenfalls beteiligte französische Meeresforschungszentrum IFREMER jeweils 30 Ozeanbodenseismometer zur Verfügung, sodass insgesamt 60 Instrumente gleichzeitig am Meeresboden installiert werden.
Zusätzlich zu den Meeresbodenstationen wird der seismologische Dienst in Rom während des Experimentes Seismometer an Land installieren: Damit lässt sich dann die seismische Aktivität kontinuierlich von See bis an die Flanken des Ätna aufzeichnen. Kopp fasst die geplanten Anstrengungen zusammen: „Wir vereinen sowohl unsere Expertise als auch unsere Infrastruktur mit den französischen und italienischen Kollegen, um so auf europäischer Ebene die Komplexität der tektonischen Prozesse im Mittelmeer zu entschlüsseln.“
(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 07.10.2014 – AKR)